Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Bootbau. 81

angenehm überrascht, daß sie nach so kurzer Zeit eine gute Stelle verließen, ohne dieselbe erschöpft zu haben. Der eigentliche Grund war, wie ich allmählich herausbrachte, folgender: zwei von Jimmys Hunden hatten eine sogenannte Schwarzschlange, Pseudechis porphyriacus, eine der giftigsten Schlangen Australiens, die in dieser Gegend ungemein häufig ist, angegriffen und nach kurzem Kampfe getötet. Der eine der Hunde war aber dabei in die Schnauze gebissen worden und bald darauf qualvoll verendet. Dieses war nun für die Schwarzen vollauf Grund, nicht nur die Stelle, wo das Unglück geschehen war, sondern auch die ganze Gegend für längere Zeit zu vermeiden. Dem liegt ein blöder Aberglaube zu grunde: die Vorstellung, ein Ort, wo ihnen etwas Schlimmes widerfahren ist, wo sie einen Angehörigen, Freund, oder ein so wertvolles Besitzstück, wie einen Hund verloren haben, könne ihnen auch ferner Unglück bringen. Eigentliche religiöse Vorstellungen fehlen den Schwarzen ja vollkommen, und ihr religiöser Sinn ist in seiner Entwicklung auf der Stufe einer abergläubischen Furcht stehen geblieben.

Es hatten sich etwa ein Dutzend Familien allmählich in meinem Camp versammelt, aber nur zwei oder drei leisteten nennenswerte Arbeit. Schlimm war besonders die Schwierigkeit der Kontrolle. Denn natürlich konnte ich nicht den Einzelnen nachgehen und sehen, ob sie in der Tat den Echidnaspuren gefolgt waren, oder sich irgendwo süßem Nichtstun hingaben, oder auch den Nestern der stachellosen australischen Biene für ihren Privatgebrauch nachspürten.

Bei dem allgemeinen Mangel an Vegetation in den Flüssen in diesem Jahre lag der Gedanke nahe, daß ein Teil der Fische seinen Laich einfach auf den Grund an Steine oder an im Wasser liegende Baumstämme ablegen würde, wenn er keine passenden Wasserpflanzen fände. Um eine systematische Untersuchung des Grundes vornehmen zu können, wäre natürlich der Besitz eines Ruderbootes sehr angenehm gewesen, und so beschloß ich, mir ein solches herzustellen. Die Eucalypten und Akazien, die den Hauptbestand der australischen Waldbäume ausmachen, besitzen ein so schweres und hartes Holz, daß sie zum Bootbau untauglich sind. Es gibt aber im Busch zwei Bäume, die ein leichtes, weiches, gut spaltbares Holz besitzen und sich vorzüglich zum Bootbau eignen; es sind zwei Sterculia-Arten. Die eine, Sterculia rupestris, ein mächtiger Baum, der eine Höhe von 20 bis 30 Meter erreicht, ist der schon erwähnte »Flaschenbaum« oder »bottle-tree«. Diese bottle-trees findet man vereinzelt in den Scrubs an sumpfigen Stellen ausgestreut. Ihr Holz ist besonders in der Stammachse von fast schwammiger Beschaffenheit, und es ist


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003