Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Professor Baldvin Spencer. 79

Ceratodus zu studieren. Ich freute mich natürlich sehr, hier im weltfernen Busch einen Kollegen und noch dazu einen so hervorragenden kennen zu lernen; andrerseits muß ich gestehen, daß mir der Gedanke, Spencer verfolge genau dasselbe Ziel wie ich, und unsre Interessen ständen gegeneinander in einer gewissen Konkurrenz, nicht besonders angenehm war. Natürlich ging es Spencer nicht anders, als er erfuhr, daß auch mein Hauptziel das Studium der Entwicklung von Ceratodus sei. Er hatte sich schon längere Zeit in Gayndah aufgehalten und dort ebenso vergeblich nach den Eiern gesucht, wie ich hier weiter stromaufwärts. Durch den Coachman Bates hatte er dann gehört, ich hätte reichliche Mengen von Laich gefunden, und daraufhin hatte er sich entschlossen, mich aufzusuchen. Ein Einwohner von Gayndah namens Baily hatte es übernommen, ihn in seinem Buggy von Gayndah nach meinem Camp zu bringen. Außerdem brachte Spencer einen Jungen aus Gayndah mit sich, der ihm beim Sammeln und Fischen helfen sollte. Ihr Zelt hatten die Drei etwa 1 Kilometer von meinem Lager aufgeschlagen, und Spencer war, während die beiden andern mit Lagerarbeiten beschäftigt waren, gleich zu mir herübergekommen.

Ich sagte ihm, daß ich die Eier bisher ebenso wenig gefunden hätte, wie er selbst. Aus der Untersuchung einer Anzahl erwachsener Tiere, die ich in der letzten Zeit gefangen hatte, wollte es mir scheinen, als ob die Laichzeit überhaupt noch nicht da sei. Zufälligerweise wurden an diesem und am folgenden Tage je ein Cera-todus-Weibchen gefangen, und bei der Untersuchung, die Spencer und ich gemeinschaftlich anstellten, erwiesen sich beide Tiere als unreif. Ich führte Spencer an die Stelle am Boyne, wo ich die reiche Vegetation an Wasserpflanzen gefunden hatte. Wir sahen gemeinschaftlich nach, konnten aber wiederum keine Eier finden. Alles dies bestärkte uns in der Überzeugung, daß die Laichperiode des Fisches in diesem Jahre noch nicht herangekommen sei.

Ich machte mit Spencer weite Spaziergänge in die Umgebung meines Lagers und genoß seit langer Zeit zum erstenmal wieder das Vergnügen, mich über naturwissenschaftliche Fragen allgemeiner und spezieller Art mit einem Fachgenossen aussprechen zu können. Spencer interessierte sich besonders für die australischen Regenwürmer, über die er eine umfassende Monographie vorbereitete.

Nach Anbruch der Dunkelheit speisten wir gemeinschaftlich in meinem Camp und verbrachten noch einen großen Teil des warmen tropischen Abends plaudernd vor meinem Zelt. Auch den nächsten Tag verlebten wir zusammen in höchst angenehmer Weise. Spencer


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003