Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Eine unrühmliche Heimkehr. 7 1

und Patronen, - ein geschlagener Feldherr —, aber da ich überzeugt war, daß ich durch längeres Warten meine Aussichten nicht verbesserte, und mich und mein Pferd nur durch Hunger und Durst unnötig aufrieb, so schwang ich mich auf den bloßen Rücken des Gaules, und drang durch den Scrub in nordwestlicher Richtung vorwärts. Ich will diesen ungemütlichen Morgenritt auf un-gesatteltem hungrigem Pferde, mit hungerndem Magen und schrecklichem Durste nicht weiter schildern. Nach einer Stunde kam ich aus dem Scrub heraus und bald darauf an einen Fluß, von dem ich aus seiner Richtung von Südsüdwest nach Nordnordost erkannte, daß es der Auburn sein müßte. Ich folgte seinem Lauf stromabwärts, belästigt von den Strahlen der immer höher steigenden Sonne, die mein unbedecktes Haupt versengten. Nach weiteren 3/4 Stunden sah ich vor mir etwas Weißes schimmern. Als ich rasch darauf zusprengte, erwies es sich als ein Zelt meines neuen Camps, mit dessen Errichtung Dahlke und Frank sowie. ein andrer Schwarzer eifrig beschäftigt waren. Dahlke eilte ganz entsetzt auf mich zu, als er mich in diesem Aufzuge anreiten sah, und fragte, was denn geschehen sei.

Ich war, wie man sich denken kann, nicht gerade mitteilsamer Laune und ließ ihn gleich etwas Tee bereiten und Fleisch und Brot herbeiholen, denn ich war fast 24 Stunden lang ohne Speise und Trank und beinahe die ganze Zeit über in körperlicher und geistiger Bewegung gewesen. Nachdem ich gegessen und etwas geruht hatte, erzählte ich Dahlke den ganzen Hergang genauer und war angenehm überrascht, als er mir sagte, mein Fall sei gar nichts so Unerhörtes. Es käme nicht selten vor, daß der einsame Buschreisende dadurch, daß sein Pferd sich von ihm entfernte, noch viel schlimmerem Geschick ausgesetzt wäre, als ich es in diesem Falle zu erdulden hatte. Später las ich selbst in einer Brisbaner Zeitung unter dem Titel »Lost in the bush« eine Begebenheit, die sich vor kurzem im Nordwesten von Oueensland zugetragen hatte, und die mich sehr an mein eigenes Erlebnis erinnerte. Ein Surveyor hatte in einem unkultivierten Gebiet Aufnahmen machen wollen. Als er nach mehrwöchentlicher Abwesenheit nicht zurückkehrte, sandte man schwarze »Tracker«: aus, die folgendes ermittelten. Der Betreffende hatte vier Tagereisen von seinem Ausgangspunkte im Scrub übernachtet. Nachts hatte sein Pferd sich von ihm entfernt, und, wie die Schwarzen an den Spuren ablasen, war er ihm den ganzen nächsten Tag über gefolgt, ohne es fangen zu können, da das Tier die Hobbles zerrissen hatte. Am zweiten Tage scheint er den Versuch aufgegeben zu haben, das Tier


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003