Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Mein Pferd will sich nicht fangen lassen. 69

die Glocken meiner Pferde und mein neues Camp am Auburn nur wenige Kilometer entfernt sein? Ich lauschte und hörte lange Zeit nichts mehr, dann wieder einmal einige ferne Glockentöne, die aber doch so charakteristisch waren, daß man sie mit keinen ändern Lauten im Busch verwechseln konnte. Ich versuchte noch einmal zu Fuß einen Vorstoß durch den Scrub in jener Richtung zu machen, und dachte, wenn ich den Weg einigermaßen praktikabel fand, zurückzukehren um zu Pferde den Versuch zu erneuern. Schon nach wenigen Schritten überzeugte ich mich aber von der Unmöglichkeit des Unternehmens, bei dieser Dunkelheit den Scrub zu durchkreuzen, auch wenn er nur wenige 100 Schritte breit sein sollte. Wieder suchte ich mein Lager auf und wieder schlummerte ich eine Weile. Bei erneutem Erwachen machte ich die Entdeckung, daß mein Pferd aus seiner Lethargie erwacht war und mit der vorgefundenen Weide nicht zufrieden, angefangen hatte, sich langsam zu entfernen. Das durfte ich nicht zulassen. Als Schamyl mich mit dem Zaum in der Hand herankommen sah, wurde er unruhig und begann fortzuspringen, indem er seine zusammen gefesselten Vorderbeine gleichzeitig erhob und sich mit den Hinterbeinen fortschnellte. Da er einen weiten Vorsprung hatte, dauerte es fast eine halbe Stunde, bis ich ihn endlich fing. Ich hatte mich bei diesem tollen Herumjagen im nächtlichen Dunkel anfangs ein paarmal nach meinem Feuer umgesehen, um die Richtung nicht zu verlieren und sicher zurückzufinden. Sobald ich mein Pferd wieder hatte, war dies meine nächste Sorge. Doch vergebens sah ich mich nach dem Feuerschein um. Ich war wohl während der Pferdejagd außer Sehweite desselben gekommen, aber ich glaubte bestimmt die Richtung zu wissen und ging mit festen kühnen Schritten vorwärts, das Pferd am Zügel führend. Ich ging und ging und sah kein Feuer. Der Scrub wurde dichter, und es war klar, daß ich die Richtung verfehlt hatte. Ich kehrte um und suchte mehr rechts, mehr links, kreuz und quer, überall nach dem Feuerschein spähend, — vergeblich. Der Mond war aufgegangen und erleuchtete mit seinem magischen Lichte diesen Zauberwald, dessen Durchdringung mir verwehrt schien, und der mir sogar das wenige raubte, was ich bei mir hatte.

Als ich einmal ermüdet still stand und rastete, sah ich vor mir ein kleines Tier von Kaninchengröße herumspringen und einen grunzenden Lockruf ausstoßen. Es war ein Männchen des sogenannten Bändikut, Perameles obesula, eines insektenfressenden Beuteltiers, das wohl auf nächtliche Liebesabenteuer ausging. Im Deutschen wird es vielfach mit dem Namen Beuteldachs bezeichnet; es hat aber mit


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003