Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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68 Erste Erfahrungen im Busch.

Bedeckung die Nacht zuzubringen. Etwas ungemütlich war nur meine Wehrlosigkeit gegenüber der jetzt gerade herrschenden Nachtkälte, ferner der Mangel an Wasser und passender Weide für mein ermattetes Pferd.

All dies ließ sich aber nicht ändern. Ich sattelte ab und koppelte meinem Pferde die Vorderbeine zusammen. Die Engländer nennen das ein Pferd »hobblen«. Pferde, die in dieser Art und Weise gefesselt sind, können noch langsam vorwärts gehen und bequem weiden, sie vermögen sich aber nicht weit vom Camp zu entfernen, weil sie so nicht traben und nur in einer für sie sehr unbequemen Weise springen können, so daß ihr Einfangen keine Mühe macht. Gewöhnlich führt der Reisende für diesen Zweck ein paar lederne, durch eine Kette verbundene Fesseln mit sich. Auch wir bedienten uns solcher »Hobbles« in unserm Camp, ich hatte aber für diesen, wie ich glaubte, kurzen Ritt keine mitgenommen und mußte nun mein Pferd mit einem Lederriemen, der sich an meinem Sattel befand, fesseln. Meine nächste Sorge war es, ein tüchtiges Feuer anzuzünden, denn glücklicherweise hatte ich Wachszündhölzer bei mir. Dagegen hatte ich nichts Eßbares mitgenommen. Später führte ich immer etwas Mundvorrat und Tee mit mir; ebenso ein kleines zinnernes Trinkgefäß, ein »pannikin«, und einen kleinen zinnernen Kochtopf, ein »billy«. Auch ließ ich bei späteren weiten Ritten niemals die Decke zu Hause, so daß es mir dann nichts ausmachte, so wie ich ging und stand zu kampieren.

Nachdem ich ein tüchtiges Feuer angezündet und mir noch einen Vorrat Reserveholz zusammen geschleppt hatte, bereitete ich mir mein Lager neben dem Feuer. Der Sattel diente als Kopfkissen, die Pferdedecke als Zudeck. Flinte, Hut und Sporen legte ich neben mir ins Gras, mein Pferd stand unbeweglich etwa zehn Schritte vom Feuer und ruhte von den Anstrengungen des Tages aus, ohne sich um das spärliche dürre Gras, welches hier am Rande des Scrubs wuchs, zu kümmern. Ich streckte mich aus mit dem Gedanken, das Feuer nicht ausgehen zu lassen und auf mein Pferd zu achten. Bald gingen meine Gedanken hinüber, ermüdet schlief ich ein. Als ich nach einer Stunde aufwachte, war die Situation unverändert, mein Pferd stand noch immer an derselben Stelle und das Feuer brannte noch; tiefes Schweigen umgab mich. Da war es mir auf einmal, als hörte ich ganz in der Ferne aus der Richtung, der ich den ganzen Tag über zugestrebt hatte, leisen Glockenklang. Wir pflegten unsern Pferden, wenn wir sie in der Umgebung des Camp weiden ließen, Glocken umzuhängen, um sie leichter auffinden zu können. Sollten dies nun


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003