Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Nachts im Scrub.

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dem Menschen einfach wegläuft und im Nu im Dickicht verschwunden ist. Hunde dagegen bringen ihn unschwer zum Aufbäumen, und wenn sie ihn dann verbellen und den Jäger an die Stelle heranrufen, ist er leicht zu schießen, weil er ein schlechter Flieger ist und sich nur schwer zum Abstreichen entschließt.

Ich verlor durch den Versuch, einen Talegalla zu erlegen, geraume Zeit, und es war schon 5 Uhr vorüber, als ich diesen zweiten Scrub verließ; um 6 Uhr mußte die Sonne untergehen und das pfadlose Reiten im Dunkeln in einer gänzlich unbekannten Gegend hat sein Ungemütliches. Durch die vielen kleinen Hindernisse und Verzögerungen hatte ich auch jede Schätzung darüber verloren, wie viele Kilometer ich schon erledigt hätte, und wie nahe ich meinem Ziel, der Auburn-Mündung, wäre. So viel wußte ich mit Sicherheit, daß ich nicht viel von meiner Richtung abgewichen sei. Um 6 Uhr wurde es rasch dunkel und vor mir dehnte sich noch immer der endlose Busch aus, keine Spur eines Tales, sei es das Tal des Auburn oder des Burnett, dem ich sehnsüchtig entgegen sah. Ich wußte, daß der Mond gegen 10 Uhr aufgehen würde und daß die nun folgenden Stunden zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang die unangenehmsten zum Reiten sein würden. Jedoch strebte ich auf meinem ermüdenden Pferde vorwärts, immer in der Hoffnung, plötzlich mein Ziel vor mir zu sehen.

Sobald die Sonne ganz untergegangen war, hatte ich mir einen Stern, auf den ich munter zuritt, als Leitstern erwählt. Die Nacht war kühl, wolkenlos und sternenklar, die Dunkelheit tief, aber doch infolge des Sternenlichts nicht absolut. Plötzlich sah ich mich am Rande eines, wie es schien, ganz undurchdringlichen Scrubs, und wußte sofort, daß für heute alles aus sei. Ich ritt einmal links, einmal rechts ein Stück am Rande entlang, ließ aber bald davon ab, da ich kein Lichterwerden bemerken konnte und ganz die Richtung zu verlieren fürchtete. Ich machte sogar den verzweifelten Versuch, trotz der Dunkelheit durchzureiten, gab denselben aber schon nach einigen 100 Schritten auf, glücklicherweise, denn bei der absoluten Dunkelheit im Walde, der Menge von totem Holz am Boden, der sumpfigen Beschaffenheit des Grundes hätten die Beine meines armen Pferdes wahrscheinlich in kürzester Zeit meinen Leichtsinn bezahlen müssen. Es blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, abzusatteln und hier an Ort und Stelle zu kampieren. An und für sich ist das ja nichts besonderes, und man pflegt sich in Australien nicht viel Gedanken darüber zu machen, wenn man einmal gezwungen ist, unter freiem Himmel ohne Zelt und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003