Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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66 Erste Erfahrungen im Busch.

mich vielleicht meilenweit von meiner Richtung abgeführt. Ich beschloß also frisch das Letztere und ließ mich in meinem Vordringen nicht aufhalten. Obwohl dieser Scrub nicht allzu dicht war, ging es doch nur sehr mühsam und langsam vorwärts, die Bäume standen stellenweise so gedrängt, daß man unmöglich zwischen ihnen durchreiten konnte. Die Zweige schlugen mir immerfort ins Gesicht und beunruhigten mein armes Pferd aufs höchste. Noch größere Aufmerksamkeit erforderte der Boden, der überall mit Baumleichen bedeckt war, die den Beinen des Pferdes tausendfache Fallstricke legten. Es gibt Pferde, die sich bei solchen Gelegenheiten sehr mutig und entschlossen benehmen und dem Reiter die Aufgabe erleichtern, so daß man es ihnen am besten selbst überläßt, den passenden Weg zu finden. Mein alter Schamyl gehörte leider nicht zu der Sorte; er war ängstlich, leicht in Verwirrung gesetzt und wäre vor jedem Hindernis am liebsten gleich umgekehrt, ja er hatte sogar die liebenswürdige Gewohnheit, wenn ich ihn einmal zu einem kühnen Unternehmen anspornen wollte, plötzlich den Kopf umzudrehen und zu versuchen, mich ins Bein zu beißen, eine Untugend, von der ich ihn allmählich durch tüchtige Strafen kurierte.

Man kann sich meine Freude vorstellen, als ich nach 3/4 Stunden bemerkte, daß der Scrub lichter wurde und ich mich gleich darauf wieder in offenem Busch befand. Ich galoppierte rasch vorwärts, immer mit dem Gedanken: wenn mir nur nicht noch ein zweiter Scrub in die Quere kommt. Um 4 Uhr traf das Gefürchtete wirklich ein, und wieder befand ich mich in derselben Situation wie vorhin. Ohne Zögern entschloß ich mich diesmal dazu, das Dickicht zu durchdringen; hatte mich doch mein erster Erfolg zuversichtlich gemacht. Hier ging es noch langsamer vorwärts als das erste Mal, der Pflanzenwuchs war dichter und an vielen Stellen mußte ich absteigen und das widerstrebende Pferd am Zügel durch das Brigalow-Gestrüpp ziehen.

An einer Stelle sah ich ein Paar große schwarze Vögel, in Größe und Erscheinung an Truthühner erinnernd, vor mir herlaufen und im grünen Buschwerk verschwinden. Ich wußte sofort, daß dies ein Paar der Hügel bauenden Großfußhühner sein müßten, die die sonderbare Gewohnheit haben, ihre Eier in mächtige, selbst zusammengescharrte Komposthaufen zu legen und sie durch die Wärme der faulenden vegetabilischen Substanzen ausbrüten zu lassen. Die Ansiedler am Burnett nennen diesen Vogel scrub-turkey, Scrub-Truthahn, in ändern Gegenden wird er auch brush-turkey genannt; sein wissenschaftlicher Name ist Talegalla lathami. Es ist nicht leicht, diesen Vogel zu erlegen, wenn man keinen Hund bei sich hat, weil er vor


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003