Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein betrunkenes Camp. 6 I

Schwarzen heute schon etwas gebracht ?« »Die Schwarzen sind heute überhaupt nicht ausgegangen«, antwortete er. »Was ist denn aber los«, fragte ich erstaunt, »sie wollten doch heute wieder Echidna suchen?« »Das ganze Camp ist seit gestern betrunken«, war die Antwort, »die meisten sind so steif, daß sie sich nicht rühren können, und Johnny hat seine Frau halb tot geprügelt«. Nun fing er eine lange, betrübliche Erzählung an, aus der Folgendes hervorging: Am Sonntagmorgen früh hatten sich zwei Schwarze, welche Pferde besaßen, mit dem größten Teil des von mir am Sonnabend ausgezahlten Geldes nach Mundubbera aufgemacht, wo die würdige Mrs. Corrie wie die Hexe des Märchens im Walde hauste, und dort hatten sie für schweres Geld 4 Flaschen außerordentlich schlechten Rums erhalten. Wie vorauszusehen, hatte trotz meiner vorherigen Bitte und Ermahnung und trotz des gesetzlichen Verbotes die alte Dame dem Anblick des baren Geldes nicht widerstehen können. Das beste war nun, daß die beiden Gesandten sich schon beim Zurückreiten so betrunken hatten, daß sie in gänzlich sinnlosem Zustande im Camp anlangten und unterwegs sogar eine der mühevoll erbeuteten Flaschen verloren hatten. Nach der verlorenen Flasche wurden einige Kinder ausgesandt, die sie auch wieder fanden. Dann machte sich das ganze Camp, Männer, Weiber und Kinder an die schleunige Vertilgung des Giftes, das an Geschmack und Wirkung seinesgleichen suchte.

Dies Alles erzählte mir Dahlke in höchster Erregung und fühlte sich sozusagen persönlich beleidigt durch das schandbare Gebahren der Schwarzen. Er selbst hatte zu intervenieren gesucht, natürlich ohne Erfolg, und erwartete jetzt von mir, daß ich sofort einschritte. Selbstverständlich tat ich das nicht, nachdem ich erfahren hatte, daß das Getränk nunmehr schon bis auf den letzten Rest vertilgt sei. Ich nahm mir vor, am morgigen Tage ein Wörtchen mit den Schwarzen zu sprechen, wenn sie wieder nüchtern wären, und ihre gehobene Stimmung von heute einem tüchtigen Katzenjammer Platz gemacht hätte. Am nächsten Morgen kamen sie denn auch zu mir herangeschlichen, geknickt, elend, und da es ihnen ihre natürliche Körperfarbe nicht erlaubte, bleich auszusehen, doch mit einem gewissen fahlen Schwarz im Gesicht. Ich habe nie viel von Strafpredigten gehalten und hielt eine solche unter diesen Umständen für ganz verfehlt. Hatte ich mir doch im Grunde die Hauptschuld selbst beizumessen, weil ich ihnen zu viel Bargeld in die Hand gegeben hatte. Ich drückte ihnen also meine Mißbilligung mit ein paar kurzen, kräftigen Worten aus und sagte blos: »Von heute an


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003