Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Australische Pferde.

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zustandebringen, wie die Distanzritte der letzten Jahre gezeigt haben. Aber erstens halten europäische Pferde solche Anstrengungen nur ganz kurze Zeit aus, und zweitens würden dieselben für sie ganz ausgeschlossen sein, wenn sie vor und während derselben nur mit Weidefutter ernährt würden. Daneben züchtet man besonders für den Wagengebrauch verschiedene Sorten von Ponies. Endlich findet man noch schwere Arbeitspferde für die Arbeit vor den Karren und Gütertransportwagen, deren Zucht Spezialität einzelner Stationen ist.

Herr McCord forderte mich auf, wenigstens bis zum morgigen Tage in Coonambula zu bleiben, und stellte mich seiner Familie vor, seiner Gattin und deren Mutter Frau Wall, der Wittwe eines englischen Geistlichen von Barbados. Mit seinen Kindern, zwei Knaben Ned und Percy und zwei Mädchen Tephi und Winnie, im Alter von 12 bis 4 Jahren, wurde ich ebenfalls bald gut Freund. Die Kinder wurden von ihrer Großmutter unterrichtet, die älteren nicht nur in den Elementarwissenschaften, sondern auch in französisch, deutsch und sogar lateinisch. Frau Wall war eben eine wunderbare alte Dame, und man würde Mühe haben, in einer europäischen Zentrale eine Frau von so vielseitigem und gründlichem Wissen zu finden, wie sie hier in diesen entlegenen Erdenwinkel verschlagen war. Sie hatte Amerika, Europa und Australien bereist, hatte längere Zeit in Oxford gelebt und mit den dortigen Gelehrten im Verkehr gestanden. Sie besaß über die meisten Dinge ein unbefangenes und selbständiges Urteil, das freilich mit dem meinigen oft nicht übereinstimmte. So hatten wir in der Folgezeit manches heftige Scharmützel über Religion, Politik, Naturwissenschaft und ganz besonders über Spiritismus. Dem Familienkreise gehörte endlich noch ein junger Volontärsquatter, Herr Kenneth Peile an.

Da es Sonntag war, ruhte die Arbeit auf der Station und jedermann ging seinen Privatvergnügungen und Beschäftigungen nach. In den australischen Städten herrscht eine fast ebenso strikte Sonntagsruhe, wie im englischen Mutterlande, und der Reisende, der an kontinental-europäische Zustände gewöhnt ist, wird dadurch vielfach gehemmt und empfindet vorwiegend die unangenehmen Seiten dieser britischen Einrichtung. Im Busch ist man nicht so streng, und wenn die Herden in den Hürden zusammengetrieben auf das Mustern warten, und den hungernden, eng zusammengepferchten Tieren jede Verzögerung Schaden bringen kann, dann wird natürlich auch am Sonntag gearbeitet, wie an jedem gewöhnlichen Tage. Wo es aber angeht, gönnt der Squatter seinen hart arbeitenden Leuten am Sonntag Ruhe. Dann pflegt der Stockman seine Kleider auszubessern


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003