Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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56 Erste Erfahrungen im Busch.

erfahrenen Stockmen an die Küste getrieben. Für ganz Queensland ist bis jetzt der Hauptmarkt Sydney. Ein Transport vom Burnett dorthin nimmt mindestens 2 bis 3 Monate in Anspruch. Neuerdings hat man aber in Brisbane und auch nördlich vom Burnett am Fitzroy-River bei Rockhampton Gefrierwerke eingerichtet, in denen das Fleisch sofort zum Transport nach Europa vorbereitet werden kann. Man sucht dadurch den sehr gesunkenen Wert des Schlachtviehes zu heben. Milch- und Käsewirtschaft lohnt sich natürlich nur in der Nähe der größeren Zentren; im Busch gibt man sich nur so weit damit ab, als es für den eigenen Bedarf erforderlich ist. Übrigens hatte Herr McCord an der Nordostgrenze seines Gebietes eine Milchfarm eingerichtet. Nicht fern von dort war nämlich vor einigen Jahren auf dem Grunde der Pacht Eidsvold Gold aufgefunden worden, und den Bedarf des dort aufgeblühten Minenstädtchens an Milch und Butter deckte die Station Coonambula.

Die Pferdezucht ist eine besondere Liebhaberei der australischen Squatters, und da in Australien die gewöhnlichen Fortbewegungsmittel für Jedermann nicht die eigenen, sondern die Pferdebeine sind, so ist der Absatz im Lande selbst ein bedeutender. Auch werden neuerdings nicht unbeträchtliche Mengen der kräftigen und sehr dauerhaften Pferde nach Java und besonders zu militärischen Zwecken nach Indien exportiert. Die Pferdezucht und die Pferdeproduktion hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten in Australien derart gesteigert, daß trotz des erweiterten Absatzgebietes der Preis der Pferde dauernd im Fallen begriffen ist. Im Busch kann man schon ein ganz brauchbares Pferd für 50 bis 60 Mark kaufen und erhält ein vorzügliches Halbblut auf vielen Stationen für 150 bis 200 Mark, ein Tier, das in Europa das Zehnfache wert sein würde. Es sind das Nachkommen der seit 50 Jahren von England importierten Pferde, die man früher reichlich mit arabischem Blut gekreuzt hat, um ihnen größere Ausdauer zu verleihen. Neuerdings werden als Zuchthengste fast ausschließlich englische Vollbluthengste verwendet, und man kann sagen, daß bereits eine eigentümliche australische Rasse erzeugt worden ist, die für die dortigen Verhältnisse Unübertreffliches leistet. Als Reitpferde züchtet man einen mittelgroßen oder großen Schlag, der sich durch Kraft, Ausdauer und eine für unsere Begriffe geradezu unglaubliche Genügsamkeit auszeichnet. Man ist im stände, auf guten australischen Pferden Tag für Tag wochenlang Strecken von 60 bis 80 Kilometern zurückzulegen, ohne den Tieren ein anderes Futter zu geben, als das, was sie nachts auf der Weide finden. Ein gut gefüttertes europäisches Pferd kann ja einige Tage lang eine weit größere Reiseleistung


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003