Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Coonambula. 55

Hause genoß, warf Lichtblicke in mein australisches Leben, das zwar viele wissenschaftliche und ästhetische Anregungen bot, manches aber vermissen ließ, was wir ungern auf die Dauer entbehren, vor allem die Möglichkeit der Aussprache und Unterhaltung mit gebildeten Menschen.

Das Haus, in dem die Familie wohnte, war äußerlich ziemlich unscheinbar, innen aber mit jenem Komfort und jener Behaglichkeit ausgestattet, mit dem die Briten überall ihr Heim einzurichten pflegen. Ein schöneres Wohnhaus, das neu gebaut und nur kurze Zeit bewohnt worden war, war vor einigen Jahren total niedergebrannt, und so mußte die Familie in das ältere, früher bewohnte Haus zurücksiedeln.

Coonambula kann als das typische Beispiel einer australischen Großpacht gelten. Es ist von mittlerer Ausdehnung, etwa 6 (deutsche) Quadratmeilen im Umfang. Außerdem besitzt Herr McCord eine zweite, etwa gleich große Pacht namens Cania im Quellgebiet des Burnett. Im Norden und Westen von Queensland kommen erheblich größere Pachten vor, von 20 bis 30 Quadratmeilen Flächenraum, die somit manches deutsche Herzogtum an Größe übertreffen. Auf Coonambula und Cania zusammen weiden etwa 20 Tausend Rinder und 5 bis 6 Hundert Pferde; der Bestand an Schafen ist gering, weil wie schon erwähnt die Weide für die Schafe nicht günstig ist. Es gibt in Australien Pachten, wo die Kopfzahl der Rinder 50 bis fco Tausend und darüber beträgt. Die Großpächter, Squatters genannt, befassen sich fast ausschließlich mit Vieh- und Pferdezucht, Ackerbau wird nur in der Nähe der Küste betrieben; denn augenblicklich würde bei den mangelhaften Verkehrswegen der Transport von Getreide vom Innern zur Küste in keiner Weise lohnen. Etwas anderes ist es mit der kostbaren Wolle, die den Versand lohnt, oder mit den Rindern und Pferden, weil die lebende Ware auf eigenen Beinen die weitesten Wege von dem entfernten Innern bis zu den Verkehrszentren zurücklegen kann. Die Squatters kultivieren nicht einmal das Getreide für ihren eigenen Bedarf; sie ziehen es vor, das Mehl, das sie brauchen, von dem nächsten Orte, wo es Farmer gibt, kommen zu lassen. Auf Coonambula wird nur etwas Korn für die Stallhengste gezogen, außerdem Grünfutter für die Gebrauchspferde der Station während der trocknen Jahreszeit. Die Rinder weiden frei und ungehütet in halbwildem Zustande im weiten grasbedeckten Busch. Man züchtet sie fast ausschließlich als Schlachtvieh. Ab und zu werden Herden von einigen 100 bis einigen 1000 schlachtfähigen Stücken zusammen gemustert und von einigen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003