Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Das Schnabeltier.

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die einfacher organisierten Wirbeltiere, Fische, Amphibien und Reptilien, durch den Besitz von Zähnen ausgezeichnet und kann es also schon aus diesem Grunde keinem Zweifel unterliegen, daß der Mangel an Zähnen bei höheren Tieren eine sekundäre Erscheinung ist. Ganz das gleiche gilt von den Vögeln, von denen die zahnbesitzenden ursprünglichen Formen durch fossile Funde bekannt geworden sind. Auch bei den Schnabeltieren läßt sich der direkte Beweis führen, daß sie von Zähne besitzenden Geschöpfen abstammen. Das junge Tier besitzt nämlich noch sowohl im Ober- wie im Unterkiefer flache mit Höckern besetzte Zähne, im ganzen deren acht, die durchaus den Zähnen gewisser, sehr niedrig stehender fossiler Säugetiere, der Multituberkulaten, gleichen. Diese Zähne werden bald abgenutzt und

Schnabeltier. Ornithorrhynchus anatinus.

fallen schließlich ganz aus; sie werden dann durch eine hornige Verdickung der Kieferränder ersetzt. Ich konnte vielfach am Burnett die Beobachtung machen, daß die Hauptnahrung unsres Tieres aus einer hartschaligen Muschel, Corbicula nepeanensis Lesson, besteht, welche man oft in Fülle in den Backentaschen aufgespeichert findet. Zum Zerkleinern dieser Nahrung sind Zähne natürlich schlechte Werkzeuge; dieselben sind viel zu spröde und brüchig und werden deshalb bald abgenutzt. Hornig verdickte Kieferränder sind ungleich bessere Hilfsmittel, so harte Nüsse zu knacken. Und so ist wahrscheinlich der Mangel der Zähne und sein eigentümlicher Ersatz aus der Muschelnahrung des Schnabeltieres zu erklären.

Wenn das Schnabeltier sich an der Oberfläche des Wassers befindet, kann es mit seinen kleinen, tief im Pelzwerk versteckten Augen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003