Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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46 Erste Erfahrungen im Busch.

verweilen, im Wasser selbst aber nicht atmen, da seine Lunge, wie die aller Säugetiere, zur direkten Wasseratmung untauglich ist. Den Tag über verweilt es meist schlafend in seinem selbstgegrabenen Bau am Flußufer. Dieser Bau besitzt einen über und einen unter Wasser befindlichen Zugang, die beide zusammenmündend in eine 6—10—15 Meter lange Röhre leiten, welche schräg vom Wasserspiegel am Flußufer aufwärts führt und in einen kleinen Kessel endigt. Baue mit zahlreicheren Röhren, die labyrinthisch untereinander zusammenhängen, habe ich nicht beobachtet. Ihr Vorkommen ist wohl als Ausnahme zu betrachten.

Ich fand bald heraus, auf welche Weise das Tier am besten zu erlegen sei. Jeden Morgen noch vor Anbruch des Tages erhob ich mich und eilte zu solchen Stellen des Flusses, die ihrer ganzen Beschaffenheit nach mit Wahrscheinlichkeit als Jagdrevier der Schnabeltiere anzusehen waren. Denn nur in tiefen und breiteren Stellen des Flusses, wo die Tiere beim Untertauchen dem Auge verschwinden und sich deshalb sicher fühlen, wo das Wasser langsam fließt und sich auf dem Boden eine reiche Tier- und Pflanzenwelt ansiedeln kann, hat man auf Schnabeltiere zu rechnen.

In der Zeit des australischen Winters, also Juni bis Ende August, wenn die Nächte kalt sind, darf man sicher sein, die Tiere bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang im Flusse zu finden. Ist man morgens frühzeitig am Fluß und erwartet das Anbrechen des Tages, so kann man, sobald die ersten Sonnenlichtstrahlen die Wasserfläche treffen und die Gegenstände unterscheidbar machen, im Fluß einen Gegenstand von ein bis zwei Fuß Länge unterscheiden, der wie ein Brett flach im Wasser schwimmt. Zuweilen liegt er eine Zeitlang regungslos da, dann plötzlich wieder ist er verschwunden, um nach einigen Minuten an einer ändern Stelle aufzutauchen. Es ist dies das Schnabeltier, welches im Schlamm des Flußbettes sein Morgenfrühstück sucht. Mit seinem platten Entenschnabel gründelt es im Flußschlamm nach Insektenlarven, Würmern, Schnecken und besonders nach Muscheln. Was es findet, wird nicht sofort verzehrt, sondern zuerst in den geräumigen Backentaschen aufgespeichert. Sind diese gefüllt, dann erst beginnt das Geschäft des Zermalmens und Verschluckens der Nahrung an der Oberfläche. Wenn man also das Tier regungslos an der Oberfläche treiben sieht, so ist es mit dem Geschäft der Zerkleinerung seiner Nahrung beschäftigt. Die Schnabeltiere haben ebensowenig Zähne wie die Ameisenigel, aber es ist schon von vornherein klar, daß dieser Zahnmangel kein ursprüngliches Merkmal der Eier legenden Säugetiere ist. Sind doch


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003