Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Mein erstes Camp. 43

Laufe des Flusses etwa 14 Kilometer abwärts bis zur Mündung eines kleinen, zur Zeit fast wasserleeren Nebenflusses, Coochers Creek, in denselben. Wir überschritten den Creek und sahen in einiger Entfernung stromabwärts ein weißes Zelt durch den Busch schimmern. Es war mein eigenes Camp, das im Entstehen begriffen war (vgl. Karte II [I]). Dahlke war vor einer Stunde hier eingetroffen und hatte sich sofort daran gemacht, ein Zelt für mich aufzuschlagen. Als Lagerplatz hatte er eine kleine Anhöhe über einem toten Arm des Flusses gewählt, etwa 40 Meter über dem gegenwärtigen Wasserstande, so daß wir für den Fall einer Überschwemmung ziemlich gesichert waren. Ringsum war gutes Weideland für unsere Pferde; einige Kilometer östlich vom Boyne befand sich ein dichter Scrub, von dem sich die Schwarzen viel für den Fang von Echidna versprachen. Die Schwarzen hatten ihr Lager einen halben Kilometer von dem meinigen aufgeschlagen, weil ich aus verschiedenen Gründen eine gewisse räumliche Entfernung gewünscht hatte. Es war völlig dunkel, als ich zu ihnen hinüberging, und an zahlreichen Stellen loderten ihre Lagerfeuer und beleuchteten die dunkeln Gestalten der Männer, Frauen und Kinder. Bei meinem Nahen erhob sich ein vielstimmiges Geheul der halbwilden Hunde, ihrer steten Begleiter und Helfer bei der Jagd. Mein plötzliches Erscheinen schien die Hunde nicht wenig zu erregen, sie sprangen auf mich zu und ein paar große Bestien schienen nicht übel Lust zu haben, sich auf mich zu stürzen, eine seltene Erscheinung, denn gewöhnlich sind diese Hunde Menschen gegenüber feige und wenig angriffslustig. Die Weiber schrieen den Hunden zu, die Männer warfen Stöcke und Feuerbrände nach ihnen, einer reichte mir rasch einen tüchtigen Knüppel, um mir das wilde Gesindel vom Leibe zu halten. Das Ganze bot bei den flackernden Lagerfeuern, der eigenartigen Umgebung, den fremden Lauten und Ausrufen eine wilde, bewegte Szene. Endlich graben sich die Hunde zufrieden und umknurrten mich nur noch mißtrauisch in einiger Entfernung.

Das Camp zählte nicht ganz 30 Eingeborene, Männer, Weiber und Kinder, die sich auf acht Familien verteilten. Jede Familie lagerte für sich in einiger Entfernung von den ändern, so daß das Camp einen ziemlichen Raum bedeckte und die zahlreichen zerstreuten Feuer auf eine viel größere Schar schließen ließen. Nur zwei Familien besaßen alte und schadhafte Leinwandzelte, die sie gelegentlich einmal von Weißen eingehandelt hatten. Die übrigen verwahrten sich gegen Kälte, Tau und Regen mittels einiger schräg aneinandergelehnter Rindenplanken, die durch einen schief in die


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003