Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein schlimmer Flußübergang. 35

mit sich zur Seite gerissen. Um ein Haar wäre die Dray mit den vier Pferden das Ufer hinab zurück in den Strom gestürzt. Es gelang zum Giück den vereinigten Bemühungen von Dahlke und Frank, die Pferde zu beruhigen und dem gestürzten Tier wieder auf die Beine zu helfen. Die Deichsel der Dray aber war gebrochen, und letztere für den Weitertransport des schweren Gepäcks unbrauchbar geworden. Dahlke und Frank hatten deshalb die Pferde ausgespannt und die Dray abgeladen. Frank war an Ort und Stelle beim Gepäck geblieben, während Dahlke die leere Dray nach Gayndah zurückbrachte, um sie dort reparieren zu lassen und sich vorläufig eine andere zu borgen.

Das war ein übler Anfang meiner Expedition, doch mußte ich schon dankbar sein, daß nicht größeres Unheil geschehen war, und das Gepäck nicht gelitten hatte. So belief sich der Schaden nur auf eine gebrochene Deichsel und, was schlimmer war, auf einen Zeitverlust von zwei Tagen. Ich trennte mich von Dahlke, der in ziemlich deprimierter Stimmung nach Gayndah zurückfuhr, und setzte meinen Weg fort. An einigen Stellen längs der Straße wuchs in größerer Menge der eigentümliche australische »Grasbaum« Xanthor-rhoea, ein Baum, dessen kräftiger, meist gerader, mehrere Meter hoher Stamm als Krone ein mächtiges Büschel grober grasähnlicher Blätter trägt. Zur Blütezeit schießt aus ihrer Mitte ein mächtiger Blütenkolben empor. Gegen Mittag kam ich an die Unglücksstätte, wo ich Frank wie einen schwarzen Marius auf den Trümmern meines wüst am Flußufer ausgestreuten Gepäcks fand. So gut es ging, richtete ich mich hier für einen mehrtägigen Aufenthalt ein. Wir trugen das gesamte Gepäck auf die Höhe des linken Flußufers, stauten es zu einem Haufen zusammen und bedeckten das Ganze zum Schutz gegen Regen und Tau mit der Tarpaulin, der großen wasserdichten Leinwanddecke, die jede Dray mit sich führt.

Bei unserer Arbeit wurden wir von einem Fuhrmann namens Corry unterstützt, der mit einem mit acht Ochsen bespannten Lastfuhrwerk von Gayndah nach der Squatterstation Cooranga unterwegs war und in der Nähe kampierte. Seine ganze Familie, Frau und vier kleine Kinder, begleitete ihn. Am Abend vorher hatte er den Creek kurz vor Dahlke glücklich passiert und war Zeuge des Unfalls meiner Dray gewesen. In der Not hatte er sich hilfreich erwiesen. Nachts war er plötzlich zu Dahlke gekommen, hatte ihm geklagt, seine Frau sei schwer fieberkrank und schwach, und hatte ihn um etwas stärkendes für die Frau, am liebsten Rum oder Brandy gebeten. Nun befanden sich in meinem Gepäck mehrere Flaschen Rum, die ich


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003