Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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34 Erste Erfahrungen im Busch.

Postkutschen, Karren und Lastwagen, die den spärlichen Verkehr zwischen zwei Orten vermitteln, immer derselben Linie folgen und allmählich ihre Spur dem Boden eindrücken. Nichts ist einfacher als in Australien eine Straße herzustellen. Ein Wegvermesser stellt mit einigen ortskundigen Ansiedlern zwischen zwei Orten, die verbunden werden sollen, die kürzeste Route fest, die für Fuhrwerk wegsam ist, und bezeichnet sie durch Kerben an den Bäumen. Das übrige überläßt man dem Verkehr. An Brückenbau ist natürlich nicht zu denken. Die Flüsse werden an geeigneten Furten überschritten. Steigt der Fluß, so stockt der Verkehr und zu Flutzeiten hört zuweilen alle Verbindung auf Wochen, ja Monate auf. Terrainhindernisse werden möglichst umgangen. Stürzt ein Baum quer über die Straße, so nimmt man sich nicht die Mühe ihn zu entfernen, sondern fährt um ihn herum, und allmählich bildet sich ein Bogen der Straße aus, der das Hindernis umkreist. Nur an befahreneren Wegen hilft man hier und da künstlich nach, indem man an besonders schwierigen Steigungen den Grund ein wenig ebnet, an sumpfigen Übergängen Knüppeldämme primitiver Art baut und, wenn der Weg durch Dickicht führt, längs der Straße etwas abholzt. Von Ansiedlungen wie Gayndah werden von Zeit zu Zeit einige Leute als sogenannte »road party« ausgeschickt, um die Wege zu revidieren und die gröbsten Schäden, die im Laufe von ein oder zwei Jahren durch Regen, Überschwemmung und Erdrutsche entstanden sind, auszubessern. Mir war es immer besonders interessant, solche Embryonalstadien von Verkehrsstraßen zu beobachten, wie wir sie in Europa wohl kaum noch irgendwo zu sehen bekommen. Tritt doch heutzutage bei uns eine Straße gleich als etwas in seiner Art fertiges in Erscheinung.

Ich erwartete, gegen Sonnenuntergang meine Dray einzuholen, etwa da wo wir die Straße zu verlassen und ohne Weg durch den Busch zu ziehen hatten. Wie erstaunte ich aber, als ich schon nach zweistündigem Reiten Dahlke mit seinen Pferden und der leeren Dray auf mich zukommen sah. Er war am gestrigen Abend bis zu der Stelle gelangt, wo man den Aranbanga Creek, gewöhnlich Deep Creek genannt, einen Nebenfluß des Burnett zu überschreiten pflegt, und hatte noch am Abend den Übergang über den ziemlich angeschwollenen Fluß unternommen, um am entgegengesetzten Ufer zu kampieren. Glücklich war er das Ufer hinab und durch den Strom gefahren, dessen Wasser den Pferden bis an die Brust ging. Beim Erklimmen des entgegengesetzten steilen und schlüpfrigen Ufers war aber eins der Leitpferde ausgeglitten und hatte die übrigen Pferde


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003