Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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36 Erste Erfahrungen im Busch.

mitgenommen hatte, um die Schwarzen für Fleiß und gut geleistete Arbeit ab und zu durch einen kräftigen Schluck, einen »nip« zu belohnen. Das hatten mir meine Freunde in Gayndah als das beste Mittel geraten, die lässigen Schwarzen anzuspornen. Der gutmütige Dahlke, der kein Menschenkenner war, gab dem besorgten Ehemann vertrauensvoll eine volle Flasche Rum und forderte ihn auf, ihr eine Dosis zur Stärkung der kranken Frau zu entnehmen, den Rest aber zurückzubringen. Natürlich sah man Flasche und Inhalt niemals wieder, wohl aber konnte man noch am folgenden Tage dem Manne anmerken, daß die Medizin für die Kranke ihren Weg zum größten Teil oder ganz in seine Kehle gefunden hatte. Die Frau sah ich den ganzen Tag über wohlgemut und einer schwer Fieberkranken so unähnlich wie möglich um ihren Wagen hantieren und die Lagerarbeiten verrichten.

Dies war meine erste Bekanntschaft mit der Familie Corry. Weniger freundlich gestalteten sich später meine Beziehungen zu der würdigen Mutter meines rumliebenden Freundes. Mrs. Catherine Corry, die in einem elenden Wirtshause an der Straße zwischen Gayndah und Eidsvold nahe der zu Coonambula gehörigen »Station« Mundubbera hauste und als eine weder im Punkte ihres Geschäftsbetriebes noch im Punkte der Reinlichkeit von Haus und Küche skrupulöse alte Dame bekannt war. Der Police Magistrate von Gayndah, Herr W. R. O. Hill hatte mir der Vorsorge halber gleich einen Brief an sie mitgegeben, in dem ihr auf das strengste verboten wurde, meinen Schwarzen Rum und andere Spirituosen zu verkaufen. Der Vertrieb von geistigen Getränken an die Schwarzen ist zwar in Queensland verboten und unter Strafe gestellt; meine Bekannten in Gayndah waren aber Menschenkenner, und sagten voraus, daß eine so über alle Vorurteile erhabene Frau wie Mrs. Corry dem Gesetze sicherlich ein Schnippchen schlagen würde, wenn die Schwarzen nicht mit leeren Händen zu ihr kämen. Leider erwies sich diese Prophezeihung als nur zu wahr.

Da der Himmel klar und wolkenlos und Regen nicht zu befürchten war, schlug ich kein Zelt auf, sondern übernachtete unter freiem Himmel. Einen Vorrat an Brod und an gekochtem Fleisch hatten wir von Gayndah mitgenommen. So brauchte ich also nur meinen Tee zu kochen, um diesen etwas ominösen Tag, meinen ersten im Busch, mit einer stärkenden Mahlzeit zu beschließen. Die Nacht war kalt, und ich fror trotz meiner Decken ganz gehörig, da die Kälte von unten her durch die Leinwand meines Feldbetts drang. Ein solches Feldbett oder »stretcher« kann man sich leicht herstellen,


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003