Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Dickichte oder »Scrubs«. 71

quadrifida. Dieselben werden als Flaschenbäume bezeichnet, weil ihr Stamm zwischen Basis und Baumkrone flaschenförmig aufgetrieben ist. Dagegen fehlen Palmen und Baumfarne, Kletterpalmen und andre Lianen, Orchideen und sonstige Epiphyten völlig. Dickichte mit einer Vegetation, die wir gewohnt sind als tropisch zu bezeichnen, entwickeln sich in Australien in denselben Breiten überall da, wo zu der Feuchtigkeit des Bodens eine gehörige und einigermaßen kontinuierliche Luftfeuchtigkeit tritt; in gewissen Strichen längs der Küste, in feuchten Schluchten und um die Gipfel höherer Berge, auch wenn dieselben mehr ins Innere des Landes gerückt sind. Von diesen Urwäldern Australiens werde ich später noch zu erzählen haben.

Die Höhe der meisten Bäume, aus denen sich der typische Scrub zusammensetzt, ist eine mäßige; nur die bottle trees erreichen zuweilen gewaltige Dimensionen. Eigentliches Unterholz findet man meist nur an den Rändern. Ebenso fehlen die Moose als Decke des Bodens, der meist nackt ist und nur hie und da an lichten Stellen Spuren von Graswuchs zeigt. An den Baumstämmen fehlen Moose und Flechten fast vollständig. Dagegen sind die massenhaften Baumleichen, die in allen Stadien des Vergehens den Boden bedecken, für den Scrub charakteristisch.

Heftige Regenfälle lockern den Boden und bewirken das Umstürzen zahlreicher Bäume. Die für gewöhnlich herrschende Trockenheit der Atmosphäre hindert einen raschen Zerfall und bewirkt, daß das tote Holz langsam vertrocknet und nicht wie in feuchterem Klima durch Fäulnis und pflanzliche Parasiten und Tierfraß einer raschen Zerstörung anheimfällt. Dasselbe gilt übrigens für die abgestorbenen Bäume im offenen Busch.

So bietet der Brigalow Scrub mit seinen düsteren immergrünen Baumkronen, den nackten Stämmen, dem kahlen von Baumleichen und totem Holz bedeckten Boden einen ernsten, fast traurigen Anblick. Das Eindringen in sein Inneres ist zwar beschwerlich, aber ungleich leichter als das in den eigentlichen Urwald. Zu Pferde ist es allerdings oft bedenklich, zuweilen sogar unmöglich, dichtere Scrubs zu durchqueren, da die gefallenen Bäume den Pferdebeinen gefährliche und selbst unübersteigliche Hindernisse in den Weg legen.

Schlimmer als die Brigalow- und Tea-tree-Scrubs Queenslands sind die »Mallee-Scrubs« und »Mulga-Scrubs«, die in den südlicheren Teilen Australiens ungeheure Flächen des Bodens bedecken und den Schrecken der Reisenden bilden. Der Mallee-Scrub wird fast ausschließlich von einer zwerghaften Eucalyptusart, der Eucalyptus dumosa oder »Mallee« gebildet, deren Stämme so dicht beieinander wachsen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003