Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Deutsche Kolonisten. 25

diese dehnten jedoch meine australischen Gewährsleute das uneingeschränkte Lob, das sie den deutschen Farmern zollten, nicht in gleichem Maße aus, obgleich sie die Tüchtigkeit und Strebsamkeit auch für die Mehrzahl von ihnen anerkannten. Und auch jenes Lob der Farmer schränkten sie ein, indem sie behaupteten, Deutschland liefere zwar ein unvergleichliches Material an Kolonisten, aber dieses Material bringe seine guten Eigenschaften erst dann zur vollen Entfaltung, wenn die Kolonie von nicht-deutscher — natürlich meinten sie von britischer — Seite geleitet werde. Der oft wiederholten Behauptung, die Deutschen hätten nicht das Zeug dazu eine Kolonie zu leiten, habe ich natürlich stets auf das entschiedenste widersprochen und halte sie, obschon leider die bisher vorliegenden Tatsachen sie zu begründen scheinen, für gänzlich falsch und unsinnig.

Das richtige Leiten von Kolonien ist eine Kunst, die langsam und mit Opfern gelernt sein will. Es ist unbillig, eine Nation, die in dieser Beziehung ihre ersten Anfänge vor wenigen Jahrzehnten gemacht hat, mit Nationen zu vergleichen, denen eine mehrhundertjährige Erfahrung zur Seite steht, und auf einige nicht abzuleugnende Mißgriffe hin uns überhaupt diese Fähigkeit abzusprechen. Daß unsere frisch aus Deutschland exportierten Beamten zunächst geneigt sind, Anschauungen und Maßregeln, die für die deutsche Heimat zum Teil begründet und jedenfalls historisch aus den Verhältnissen herausentwickelt sind, auf ferne Länder zu übertragen, wo dieselben ganz und gar nicht am Platze sind, ist nichts wunderbares. Dies wird sich in dem Maße bessern, als unser Stamm an Beamten wächst, die sich draußen umgetan und abgerieben haben und die für diese Stellungen nicht Rekruten sind. Deutschland hat Recht, auf seine Beamten und Offiziere stolz zu sein, und die jungen Leutnants und Referendare, die wir unter einseitiger Bevorzugung ihrer militärischen und juristischen Vorbildung als Beamte in unsre Kolonien schicken, stellen an sich betrachtet ein ebenso gutes Rohmaterial dar, als irgend eine andre Nation es besitzt. Der büreaukratische Geist aber, der schon für die gegenwärtigen deutschen Verhältnisse nicht mehr paßt, und unter Negern und Papuas, im Verkehr mit kühnen Kolonisten und unternehmungslustigen Kaufleuten ganz unberechtigt und schädlich ist, sollte so bald wie möglich abgestreift werden. Es ist Pflicht, von oben her diese Erkenntnis bei den hinausgesandten Beamten wachzurufen, statt Formalismus, Verordnungssucht und Schreiberwesen zu begünstigen. Dann wird es sich zeigen, daß nicht nur die deutschen Kaufleute und Farmer, sondern auch die deutschen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003