Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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20 Reise ins Land hinein.

Rinder und Pferde ziehen zwar auch die weicheren Grasarten vor; sie sind aber mit ihren gröberen Mäulern weit weniger im stände eine Auslese zu üben. Die Grannen bieten für sie bei ihrem kürzeren, glatten Fell und ihrer derben Haut so gut wie gar keine Gefahr.

So hat man sich denn entschließen müssen, im Burnettdistrikt die Schafzucht aufzugeben und sich der weniger lohnenden Rinderund Pferdezucht zuzuwenden. Der Übergang war für die damaligen Besitzer mit großen Kosten und Verlusten verbunden, und Gayndah, dessen Lebensnerv der Zwischenhandel zwischen den Wolleproduzenten und der Küste war, ist seitdem mehr und mehr zurückgegangen. Dazu kommt, daß in der Umgebung, in Eidsvold, Mount Shamrock, Paradise und verschiedenen ändern Orten Gold gefunden worden ist, und der jüngere, unternehmungslustige Teil der Bevölkerung Gayndahs dorthin strömt. Jetzt setzt sich der Hauptteil der Bevölkerung aus einer Anzahl von kleinen Farmern zusammen, meist Deutschen, die wesentlich für ihren eignen Bedarf produzieren und oft nebenbei noch ein Handwerk betreiben. Dazu kommen die offiziellen Persönlichkeiten, die keiner einigermaßen ansehnlichen Ansiedlung Australiens fehlen: der Regierungsvertreter oder »Police Magistrate«, meist kurzweg »P.M.« genannt; der Doktor, der Pfarrer, dem die Seelsorge für den ganzen ausgedehnten Distrikt obliegt, und der sich infolgedessen fast immer auf Reisen befindet, der Postmeister und der Schulmeister. Dann findet man noch ein paar Ladenbesitzer, in deren Niederlagen fast jeder Gegenstand zu finden ist, den man in diesem verkehrsfernen Erdenwinkel brauchen kann: Mehl, Tee, Kaffee und Konserven; Spaten, Äxte, Beile, Messer und andre Stahlwaren; Stoffe, Decken, Wäsche, Kleider und Damenhüte; Pulver, Patronen, Angelgerät und Zelte, kurz Alles und noch Einiges. Das Vorhandensein eines solchen »general store« in jedem kleinen Neste Australiens, in dem man oft Gegenstände findet, nach denen man vergeblich in einer kleinen europäischen Stadt suchen würde, ist für den Reisenden, der sich nicht mit allzuviel Gepäck schleppen kann, eine große Annehmlichkeit und ist ein Beweis für den praktischen Sinn und Unternehmungsgeist der australischen Pioniere. Endlich fehlen natürlich auch in Gayndah zahlreiche Gast- und Schenkwirte nicht mit obligaten »Hotels« und Wirtshäusern. Dagegen fehlt eine Bank und dies ist ein bedenkliches Zeichen für die Blüte der Ansiedlung. Wo immer eine Ansiedlung gedeiht, da etabliert sich ein Zweiggeschäft einer der größeren Banken, die in Brisbane oder weiter südlich ihren Sitz haben, und richtet unter


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003