Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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6 Von Jena bis Queensland.

Sturzwellen kein Aufenthalt. Kein Wunder, daß da fast Allen von uns der Appetit mehr oder weniger verging. Das Meer schwärmte hier von fliegenden Fischen, die in ihrem Fluge oft genug, besonders nachts zu uns an Bord geweht wurden und, vom Falle verletzt, ihren leuchtenden Darminhalt weithin verspritzten, ein Zeichen, daß sie sich vorwiegend von leuchtenden Meerestieren nähren. Am 11. Juli passierten wir das Leuchtfeuer der kleinen Insel Minicoy zwischen Laccadiven und Malediven und gingen am 12. Juli vor Colombo vor Anker.

Nach der beschwerlichen Seefahrt waren die 24 Stunden, die wir auf Ceylon verweilen durften, eine wunderbare Erholung und reizende Unterbrechung. Für mich hatte die herrliche Insel noch ganz besondere Anziehungskraft. War sie mir doch durch die mündlichen und schriftlichen Schilderungen, durch Farbenskizzen und Photo-graphien meines Lehrers Professor Haeckel vertrauter als irgend ein andrer Fleck Erde, den ich nicht persönlich gesehen hatte. Das schöne, farbenprächtige Tropenbild, das Stadt und Hafen Colombo bietet, das heitere Treiben der Singhalesen und Tamilen, die orientalische Bequemlichkeit des »Oriental Hotel«, eine nächtliche Djinri-kischafahrt mit großer Leuchtkäferillumination, morgens eine Fahrt durch Stadt und Land zum berühmten Buddhatempel, als letztes noch große singhalesische Reistafel ließen mir die 24 Stunden auf Ceylon auf meiner Seereise als das erscheinen, was eine Rast in der Oase dem Wüstenreisenden ist. Kaum aus dem Hafen von Colombo heraus, nahm unser Schiff seine stampfende und schlingernde Bewegung wieder auf. Wir verspürten die Fernwirkung eines heftigen Sturmes, der um jene Zeit viele hundert Meilen östlich von uns wütete.

Am 15. Juli abends erschien Triton bei uns an Bord und meldete für den nächsten Tag, an dem wir die Linie zu passieren hatten, den Besuch Neptuns an. Als feuriger Ball warf er sich dann über Bord und leuchtete noch lange hinter dem Schiffe her; war er es selbst oder nur eine brennende Theertonne, die seinen Pfad bezeichnete? Schon seit mehreren Tagen hatten die braven Unteroffiziere des Matrosentransports allerlei geheimnisvolle Vorbereitungen für den feierlichen Akt der Linientaufe getroffen. Am nächsten Tage um die Mittagsstunde erschien der Meergott selber mit Dreizack und mächtigem Flachsbart, an der Seite seine mit einem kleinen Schnurrbart gezierte Gemahlin Amphitrite mit Triton, Polizeisoldaten, Negern, Ärzten, Barbieren, einem Pastor und einem Aktuar. Nachdem einige schöne Reden in gereimter Form hergesagt und eine Anzahl Orden


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003