Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Das Land der lebenden Fossilien. 3

Ich wählte also Australien als das erste und wichtigste Feld meiner Tätigkeit, und in Australien wiederum eine Gegend, in der alle jene Geschöpfe, nach denen mein Trachten stand, zusammen vorkommen. Beuteltiere finden sich dort überall, dasselbe gilt für beide Gattungen der eierlegenden Säugetiere mit Ausnahme des Nordens jenseits des 18° s. B., wo das Schnabeltier fehlt. Der Lungenfisch Ceratodus aber findet sich nur in zwei kleineren Flüssen der Ostküste, dem Mary-und Burnett-River in Queensland. So blieb für mich kein Zweifel, daß ich in dieser Gegend meine Arbeit beginnen müsse, und dementsprechend habe ich gehandelt. Ich habe mich natürlich bei meiner Arbeit weder auf dies eine Gebiet noch auf diese eine Gruppe von Aufgaben beschränkt. Ich habe später den Norden Queenslands, die Inseln der Torresstraße, Neu-Guinea, Java und die Molukken bereist und habe überall gesammelt, gesehen und beobachtet, soviel ich nur konnte. Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag aber in Australien und in der Erforschung seiner wunderbaren Wirbeltierfauna.

Die Fortpflanzung der meisten Wirbeltiere Australiens beginnt, sofern sie sich nicht über das ganze Jahr ausdehnt, gegen Ende des Winters und Anfang des Frühlings, und da auf der südlichen Hemisphäre dann Sommer herrscht, wenn wir Winter haben, dann Frühling, wenn bei uns Herbst ist, so mußte ich bedacht sein, meine Arbeit spätestens im August, der unserm Februar entspricht, an Ort und Stelle aufzunehmen.

Am 13. Juni 1891 verließ ich Jena, dessen Berge und Talwiesen gerade im schönsten Frühlingsschmuck prangten, und trat meine Reise an. Mein Gepäck, bestehend aus dreizehn Kisten und Koffern, die meine Ausrüstung an Bekleidungsgegenständen, Instrumenten, Büchern, Chemikalien, Gläsern, Jagdwaffen und Fischereigerät enthielten, hatte ich schon lange vorausgeschickt. Trotzdem sich beim Antritt der Reise die ominöse Zahl 13 so aufdringlich vordrängte, war ich doch frohen Mutes und leichten Herzens und gab nicht viel auf die Unkenrufe eines befreundeten Bekenners des Aberglaubens. Da ich bis zum Abgang meines Schiffes noch Zeit hatte, beschloß ich den Naturschönheiten der alten Welt einen Abschiedsblick zuzuwerfen. Von Luzern und vom Rigi genoß ich den Anblick unserer herrlichen Schneealpen und sah sodann die Ufer der italienischen Seen in der vollen Üppigkeit des jungen Sommers. In Genua blieben mir noch vier Tage, da sich Ankunft und Abfahrt meines Schiffes etwas verzögerte. Genua, Pegli, Monaco, die ganze Küste des tyrrhenischen Meeres bis Neapel, Messina und Palermo, etwas schöneres ist nirgends zu finden in Ost und West, unter den Tropen und auf der südlichen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003