H. Schenk: Betraege zur Kenntnis der Vegetation der Canarischen Inseln

§ 5. Uebersicht über die Regionen auf Tenerife.

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I. Allgemeiner Teil.

§ 5. Uebersicht über die Regionen auf Tenerife.

ALEXANDER v. HUMBOLDT [ A. v. HUMBOLDT, Reise in die Aequinoktialgegenden, deutsch von H. HAUFF, 1861, Bd. I, S. 158. ] gab folgende Gliederung der Vegetation auf Tenerife:

  1. Zone der Reben; von 0 bis 200-300 Toisen [ 1 Toise = 6 Pariser Fuß = 1,9548 m; 1 Pariser Fuß = 0,3258 m. ] (1200-1800 Pariser Fuß) oder 0 bis 390-586 m.
  2. Zone der Lorbeeren; von 300 bis 900 Toisen (1800-5400 Pariser Fuß= oder 586-1760 m.
  3. Zone der Kiefer; von 900 bis 1200 Toisen (5400-7200 Pariser Fuß) oder 1760-2446 m,
  4. Zone der Retama.
  5. Zone der Gräser.

Wie bereits BERTHELOT [ WEBB und BERTHELOT, Géogr. bot, p. 37. ] richtig bemerkt, ist die Bezeichnung "Zone der Reben" nicht recht zutreffend. Eine Zone der Gräser gibt es nicht auf den Canaren, denn in der alpinen Region kommen Gräser nur als äußerste Seltenheiten vor; HUMBOLDT wurde zur Aufstellung dieser Zone durch irrtümliche Angaben von BROUSSONNET veranlaßt.

LEOPOLD v. BUCH [ L. v. BUCH, Physikalische Beschreibung der Canarischen Inseln 1825, in Gesammelte Schriften, Bd. III, 1877, S. 341.] begrenzte die Regionen folgendermaßen:

  1. Die afrikanische Region oder die subtropische, bis 1200 Pariser Fuß = 390 m.
  2. Die Region der europäischen Kultur oder die mediterraneische, von 1200 bis 2500 Pariser Fuß = 390-815 m.
  3. Die Region der dichtbelaubten Wälder oder die sempervirente, von 2500 bis 4100 Pariser Fuß = 815-1336 m.
  4. Die Region der Kiefern oder der Pinar, von 4100 bis 5900 Pariser Fuß 0 1336 -1922 m.
  5. Die Region der Retama blanca oder die Cumbre, von 5900 an aufwärts bis 10380 Pariser Fuß = 1922-3382 m.

1000 Fuß bis zum Gipfel des Pik sind völlig von aller Vegetationsspur entblößt.

BERTHELOT [ BERTHELOT, Géogr. bot., p. 41. ] hebt hervor, daß Region 1 zu niedrig bemessen sei, die 2. Region könne nicht in so enge Grenzlinien eingeengt werden, und die Grenzen zwischen der 3. und 4. Region seien nicht ganz zutreffend.

Eine genauere und umfassendere Darstellung der Regionen auf Tenerife verdanken wir S. BERTHELOT [ S. BERTHELOT, Géorgr. bot., Paris 1840, p. 56. ], der mit richtigem Blick die Verschiedenheiten auf Nord- und Südseite der Insel berücksichtigt.

1. Erstes Klima.
Nordseite:
Vom Meeresufer bis 1500-2000 Pariser Fuß
= 489-652 m.
Südostseite (und Südwestseite):
Vom Meeresufer bis 2500 Pariser Fuß = 815 m
und an einzelnen Orten noch höher hinauf:
Region der Euphorbien und Region der Felspflanzen.
2. Zweites Klima.
Nordseite:
Von 1500 bis über 5000 Pariser Fuß
= 489-1629 m:
Südostseite (und Südwestseite):
Von 2500 bis ca. 4000 Pariser Fuß = 815 bis 1303 m
(hier und dort weniger):
Region der Lorberbäume und Waldpflanzen und
Region der Eriken und Cisten.
Nur kleine Gruppen von Lorbeer,
Arbutus und Erica in tiefen Schluchten; Cistus-Gebüsch
in größter Ausdehnung.
3. Drittes Klima.
Auf der Südseite von 4000 Fuß = 1303 m bis zum Gipfel des Pik 11424 Pariser Fuß.
Auf der Nordseite von 5000 Fuß = 1629 m bis zum Gipfel des Pik 11424 Pariser Fuß.
Region des Kiefernwaldes auf der Nordseite bis fast 9000 Pariser Fuß = 2932 m.
Region des Kiefernwaldes auf der Südseite bis fast 8000 Pariser Fuß = 2606 m.
Region der strauchigen Leguminosen und der alpinen Pflanzen.
Obere Grenze variiert nach den Lokalitäten.

Der Ausdruck "Region unter den Rubriken 1. und 2. Klima ist nicht glücklich gewählt. BERTHELOT selbst hebt hervor, daß er nicht regelmäßig übereinander gelegene Zonen darunter versteht, sondern nur "partielle und isolierte Gruppen". Der Ausdruck Formation würde also richtiger sein.

H. CHRIST [ H. CHRIST, Frühlingsfahrt, S. 223; Veget. u. Flora der Canarischen Inseln, s. 489. ] schließt sich in der Abgrenzung seiner 3 Regionen im wesentlichen BERTHELOT an. Seine Darstellung bezieht sich aber auf die Nordseite Tenerifes. Er unterscheidet:

1) Region unter den Wolken oder Strandregion, bis ca. 700 m, also bis dahin, wo die Passatwolke gewöhnlich zu schatten beginnt.

Afrikanische Strand- und Steppenpflanzen; die meisten endemischen Felssträucher; in den Barrancos Succulenten und Dracaena.

2) Wolkenregion, 700-1600 m, wo in der Regel die Passatwolke lagert und ausgiebige Bewässerung und Beschattung sichert.

Atlantischer Lorbeerhain in Schluchten und Mulden des unteren Teiles, Macchien der Lorbeer-, Eriken- und Farnform.

3) Region über den Wolken oder Gipfelregion.

Allmählicher Eintritt in die wolkenfreie trockene Höhenlage über dem Passat. Von 1700 bis 2800 m treten noch Wolken auf, und es erfolgen Niederschläge; höher am Kegel des Teyde herrscht jedoch der Antipassat, und ein Wechsel starker täglicher Insolation und nächtlicher Erkaltung bei sehr trockener Luft beginnt. Die Schneefälle reichen vom Februar in den April in sehr unregelmäßiger Folge und kurzer Dauer bis herab zu 1600 m und tiefer.

1600-2000 m eigentlicher Gürtel des Kiefernwaldes, der aber noch bis 2500 m an den äußeren Flanken des Ringgebirges hinaufgeht.

Ueber dem Pinar zunächst Adenocarpus viscosus und von 2000 m an immer ausschließlicher herrschend Spartocytisus supranubius, bis 2800 m am Pico de Teyde emporsteigend.


Die Verteilung der Regionen und Formationen auf Tenerife hat Dr. HANS MEYER, der im Frühling 1894 die Insel bereiste, auf seiner S. 239 zum Abdruck gelangten Karte zur Darstellung gebracht.

A. F. W. SCHIMPER unterscheidet eine basale, eine montane und eine alpine Region auf Tenerife; er rechnet zu der montanen Region als obere Stufe den Pinar, während BERTHELOT und CHRIST den canarischen Kiefernwald in ihre dritte Region einbeziehen. Im Anscluß an die Darstellungen dieser beiden Autoren gelangen wir so zu folgender Gliederung:

1. Basale Region
Auf der Nordseite 0-700 m. Auf der Südseite 0-800 m.
2. Montane Region.
a) Untere Stufe, auf der Nordseite 700-1600 m: Lorbeerwald (temperierter Regenwald!) in Mulden und Schluchten; Hartlaubgebüsch an trockenen Abhängen.
b) Obere Stufe, auf der Nordseite 1600-2000 m: Kiefernwald, Pinar.
Auf der Südseite 800-1300 m:
Nur kleine Gruppen von Lorbeerwald in einigen Schluchten; Hartlaubgebüsch in größter Ausdehnung.
Auf der Südseite 1300-2600 m:
Kiefernwald.
3. Alpine Region.
Retama blanca-Formation bis 2800 m; vereinzelte Retama-Büsche und einige alpine Stauden bis ca. 3000 m; Viola cheiranthifolia bis 3200 m. Oberhalb dieser Grenze der phanerogamen Vegetation nur vereinzelte Moose und Flechten. Gipfel des Teyde 3730 m.

© 2002, Kurt Stüber, MPI für Züchtungsforschung.
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