Pittoreske Ansichten der Cordilleren und Monumente americanischer Völker

Alexander von Humboldt

Tübingen, 1810

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Tafel 3


Hohe Auflösung

Ansicht des grossen Platzes zu Mexico.

Tenochtitlan, die Hauptstadt von Anahuac, welche im Jahr 1325 in dem westlichen Theil des Salz-Sees von Tezcuco, auf einer Gruppe kleiner Inseln gegründet wurde, ward während der fünf und siebenzigtägigen Belagerung 1521 gänzlich zerstört. Cortez erbaute die neue Stadt, welche nahe bei 140,000 Einwohner zählt, auf den Trümmern der alten, wobei man den ehemaligen Richtungen der Strassen folgte. Dagegen wurden die Kanäle, welche sie vormals durchschnitten, nach und nach eingefüllt, und Mexico lässt sich heutzutag durch die Verschönerungen des Vicekönigs, Grafen von Revillagigedo, den vorzüglichsten Städten von Europa vergleichen. Der grosse Platz, welcher auf der dritten Platte vorgestellt ist, begreift den Raum, den vormals der grosse Tempel des Mexitli einnahm, der, wie alle Teocalli´s, oder mexicanische Götterhäusern, ein pyramidalisches Gebäude, und demnach dem babylonischen Monument des Jupiter Belus ähnlich war. Zur Rechten sieht man den Pallast des Vicekönigs von Neu-Spanien, ein Gebäude von einfacher Architectur, das ursprünglich der Familie Cortez, d. i. des Marques del Valle de Oaxaca, Duca de Monteleone, zugehörte. In der Mitte des Kupferstichs zeigt sich die Hauptkirche, wovon ein Theil (el sagrario) in dem alten indischen oder maurischen Styl, den man gewöhnlich den gothischen nennt, erbaut ist. Hinter der Kuppel des Sagrario, an der Ecke der Strasse del Indio triste und der von Tacuba, stand ehemals der Pallast des Königs Axajacatl, in welchem Montezuma den Spaniern bei ihrer Ankunft in Tenochtitlan Wohnung anwies. Der Pallast von Montezuma selbst befand sich auf der rechten Seite der Hauptkirche, dem gegenwärtigen Pallaste des Vicekönigs gegenüber. Ich halte für dienlich, diese Lokalitäten zu bemerken, weil sie für diejenigen, welche sich mit der Geschichte der Eroberung von Mexico beschäftigen, nicht ohne Interesse sind.

Die Plaza mayor, die man nicht mit dem grossen Marktplatze von Tlatelolco verwechseln darf, den Cortez in seinen Briefen an Kaiser Karln V. beschreibt, ist seit 1803 auf Kosten des Vicekönigs, Marquis von Branciforte, mit dem Bilde des Königs Karls IV. zu Pferde geziert. Diese bronzene Statue ist in einerm vorzüglich reinen Style, und sehr schön ausgeführt. Sie wurde durch einen und ebendenselben Künstler, Don Manuel Tolsa, aus Valencia in Spanien gebürtig, und Directoren der Classe der Bildhauerei bei der Academie der schönen Künste zu Mexico, gezeichnet, modellirt, gegossen und aufgestellt. Man weiss nicht, ob man mehr das Talent, oder den Muth und die Beharrlichkeit des Künstlers bewundern soll, die er in einem Lande, wo er alles erst erschaffen, und die mannichfaltigen Hindernisse überwinden musste, an den Tag gelegt hat. Der erste Guss dieses schönen Werks gelang sogleich; es hat nahe bei 23,000 Kilogrammen Gewicht, und ist um zwei Decimeters höher, als die Statue Ludwigs XIV. zu Pferde, welche ehemals auf dem Platze Vendome, in Paris, gestanden hat. Man besass Geschmack genug, das Pferd nicht zu vergolden, und begnügte sich, es mit einem olivenfarbigen, ins Braune stechenden Firnis zu überziehen. Da die Häuser um den Platz her im Ganzen niedrig sind, so erscheint die Statue auf dem Luftgrunde; was auf dem Rücken der Cordilleren, wo die Atmosphäre tief blau ist, eine sehr mahlerische Wirkung hervorbringt. Ich war bei dem Transport dieser ungeheuren Masse, von dem Ort des Gusses an bis auf die Plaza mayor gegenwärtig. In fünf Tagen legte sie eine Strecke von ungefähr 1600 Meter zurück. Die mechanischen Mittel, welche Herr Tolsa anwandte, um sie auf das Gestell von schönem mexicanischen Marmor zu haben, sind sehr sinnreich, und verdienten eine ausführliche Beschreibung.

Gegenwärtig hat der grosse Platz von Mexico eine unregelmässige Form, und diess, seit dem man auf demselben, gegen Cortz Plan, ein Viereck, das die Buden des Parian enthält, erbaut hat. Um diese Unregelmässigkeit zu verbergen, hat man für zweckmässig erachtet, die Statue, welche die Indianer nur unter dem Namen des grossen Pferds kennen, in einer besondern Einfassung aufzustellen. Dieser Raum ist mit grossen Porphysplatten belegt, und um 15 Decimeters über die nahegelegenen Strassen erhaben. Das Oval, dessen grosser Durchmesser hundert Meters hält, ist mit vier Spring-Brunnen umgeben, und, zu grossem Missvergnügen der Eingebornen, durch vier Thüren, deren Gitterwerk man mit Bronze verziert hat, verschlossen.

Der Stich, welchen ich liefere, ist eine getreue Kopie von einer grössern Zeichnung des Herrn Ximeno, eines Künstlers von ausgezeichnetem Talent, und Directors der Klasse der Mahlerei bei der Academie in Mexico. Ausserhalb der Einfassung sieht man das Kostum der Guachinango´s, oder des niedrigen, mexicanischen Volkes. (Siehe meinen Versuch über das Königreich Neu-Spanien, an verschiedenen Stellen.)


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