"Ernst Haeckel - Sandalion"

3. Kapitel

Naturerkenntnis und Glaubensdichtung




Die merkwürdige Geschichte des Jesuitenordens und der weltgeschichtliche Einfluß seiner Herrschaft sind allbekannt. Sprichwörtlich ist der gleißende L ü g e n g e i s t , der seinem ganzen System zugrunde liegt, und der leitende Grundsatz: "Der Zweck heiligt die Mittel." Sprichwörtlich ist die Z w e i d e u t i g k e i t  Ausdrucks und de geheime Vorbehalt (Reservatio mentalis), welcher bei allen Versprechungen und Zeugnissen, ja selbst bei den heiligen Eiden gewahrt wird; jede Wahrhaftigkeit im Verkehr wird dadurch unmöglich. Charakteristisch ist ferner der berüchtigte P r o b a b i l i s m u s , d. h. die Lehre, daß in zweifelhaften Fällen, wo gleich gewichtige Gründe Für und Wider eine Frage vorgebracht werden, dasjenige als "wahrscheinlich" richtig angenommen werden muß, was auch nur ein einzelner angesehener Theologe für richtig erklärt hat. Außerdem soll der sittliche Charakter jeder Handlung durch die dabei zu grunde liegende Absicht bestimmt werden (Methodus dirigendae intentionis); somit kann unter Umständen die öbertretung jedes einzelnen Gebotes gerechtfertigt erscheinen. öberhaupt ist jedes Vergehen, jedes Verbrechen erlaubt, wenn es zur Förderung des höchsten Zweckes dient: " A l l e s   z u r   g r ö ß e r e   E h r e   G o t t e s "  ("Omnia in majorem Dei gloriam") (L. 4).

Als der spanische Offizier I g n a t i u s   v o n   L o y o l a  1534 die "Gesellschaft Jesu" gründete, galt als Hauptzweck die Förderung der katholischen Kirche und der Allmacht ihres Oberhauptes, des Römischen Papstes, des "Stellvertreters Gottes auf Erden". Obwohl nun der Jesuitenbund schwere Kämpfe zu bestehen hatte, obwohl viele Bedenken wegen seines offenkundigen unmoralischen Charakters erhoben wurden, und obgleich andere katholische Orden ihm entgegentraten, stieg dennoch sein Ansehen und seine Macht beständig. Den größten Einfluß gewann der durch die drei bedeutungsvollen Kriegserklärungen gegen die Vernunft, durch welche der Papst Pius IX. die christliche Welt unter sein allgewaltiges Szepter zu beugen versuchte: 1854 das Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariae, 1864 die Enzyklika und der Syllabus (- ein absolutes Verdammungsurteil über die ganze moderne Zivilisation und Geistesbildung -), 1870 das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit (vgl. "Welträtsel" Kap. 17). Durch die Annahme dieser religiösen Gewaltakte wurde der ganze moderne Katholizismus mit dem Jesuitismus identifiziert.

Die gefährliche " J e s u i t i s c h e   W i s s e n s c h a f t "  hat schon 1904 (im Frankfurter "Freien Wort", Nr. 22) R .   H .   F r a n c & e a c u t e ;  sehr treffend charakterisiert und dabei eine beachtenswerte Zusammenstellung der hervorragenden Jesuiten gegeben, die gegenwärtig auf den verschiedensten Gebieten der Naturwissenschaft eiftig tätig sind. Sehr richtig finder er deren bedenkliche Gefahr "in einem systematischen Einschwärzen des j e s u i t i s c h e n   G e i s t e s  in die Wissenschaft, und in einer konsequenten Verdrehung aller Probleme und Antworten, und in einer geschickten Untergrabung der Wissenschafts-Fundamente; richtiger gesagt, die Gefahr liegt darin, dajß man sich ihrer nicht genügend bewußt ist, und daß die ôffentlichkeit, je sogar die Wissenschaft selbst, in die geschickt vorbereitete Falle geht, zu glauben, daß es eine jesuitische Wissenschaft gibt, deren Resultate ernst genommen werden können." Alles das, was hier F r a n c & e a c u t e ;  von dem katholischen Jesuitenbunde sagt (dem "Thomasbunde"!), gilt ebenso von seinem evangelischen Glaubensbruder, dem "Keplerbunde". Denn die "C h r i s t l i c h e  Wissenschaft" des letzteren ist ebenso falsch, wie die "J e s u i t i s c h e  Wissenschaft" des ersteren. Die beiden Namen von " J e s u s   C h r i s t u s "  werden von beiden gefährlichen F ä l s c h e r b ü n d e n  in gleicher Weise für ihre verderblichen Herrschaftszwecke mißbraucht.





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erstellt von Christoph Sommer am 13.12.1999