Der volle erste Monat des schweren Messinawinters ist nun glücklich vollendet, mein liebstes Schatzchen, und zwar viel rascher, leichter und glücklicher, als ich erwartet hatte. Verfliegen die folgenden in demselben Verhältnisse, so wird der böse Winter, vor dem ich mich so sehr fürchtete, trotz der immer wachsenden Ungeduld und Sehnsucht noch leidlich rasch vorbei sein. Und noch dazu werden die jetzt kommenden Monate, was die Arbeit betrifft, die jan nun glücklich im vollen Gange ist, mir gewiß leich
Das muß ich mir selbst täglich so oft sagen und so oft sheen, wie alle angewandte Mühe der Erkenntnis doch nur zu sehr zweifelhaften, wo nicht gar negativen Resultaten führt, daß die große Freude, welche ich während des Anschauens dieser herrlichen Naturwunder und während des Eindringens in ihr Verständnis genieße, schließlich dadurch immer sehr traurig herabgestimmt wird. -
Seit 8 Tagen ist nun auch hier der Winter, d. h. die Regenzeit, eingezogen, und seitdem regnet und stürmt es so beständig und heftig, daß unser deutscher Norden sich dieses Wetters nicht zu schämen brauchte. Wahrscheinlich werdet Ihr infolgedessen auch meine beiden letzten Briefe, die beide zu Vaters Geburtstag bestimmt waren, später als gewöhnlich erhalten haben. Wenigstens kam der Vapore, der sie mit nach Marseille nahm, einen Tag später hier an, da er mit dem heftigsten Sturm so arg zu kämpfen gehabt hatte, daß er seinem Untergang nahe war . . .
Das Ankommen und Abgehen der Dampfer (fast jeden Tag kommen mehrere) ist natürlich als einziges Verbindungsmittel hier immer der allgemeine Gegenstand reger Teilnahme, und wir haben von unserm hohen Standpunkt aus das besondere Vergnügen, sie immer schon aus weiter Ferne von beiden Seiten der Meerenge herankommen zu sehen, wie wir denn überhaupt den trefflichsten Anblick des wunderschönen Hafens aus der Vogelperspektive genießen. Das ist ein ewig wechselndes Bild interessantesten Lebens uns Verkehrs, welche meine Blicke oft vom Mikroskop ab durch das Fenster herauslenkt. Vorige Woche lag grade meinem Fenster gegenüber der "Macedonian", die schlanke, saubere, amerikanische Kriegsfregatte, die diesen Sommer auch alnge in Neapel lag. Besonders interessant wurde der Anblick des Hafens und der See Ende voriger Woche beim Eintritt des Winters. Abwechslung macht einmal allein das menschliche Leben schmackhaft, und so erschien mir denn auch der graue schwere Regenhimmel und die grüne wogende See außerordentlich schön nach dem ewigen blauen, einfarbig reinen Spiegel, den Himmel und Meer in den letzten 6 Monaten ununterbrochen dargestellt hatten und der zuletzt mit seiner ewigen, ungetrübten, dunkeln Bläue und Glätte wirklich langweilig wurde. Allerdings mögen dabei die nordischen Reminiszenzen wohl sehr im Spiele gewesen sein; wenigstens versetzten mich die ersten Wintertage, als der wilde, frische Sturm von Norden angesaust kam, die Gebirge rings in dichte, graue Wolkenmäntel hüllte und die fliegende See in mächtigen Berg- und Talwellen vor sich hertrieb, lebhaft nach Helgoland, und den ersten Morgen stand ich fast immer am Fenster und sah dem wechselnden Spiel des wilden Windes und der schäumenden Wogen zu, wobei die Gedanken danz im Norden weilten. Sprang auch abends mit wahrer Lust hinunter in den Regen, lief ein paarmal am Hafen auf und ab und ließ mich recht durchnässen, ein lang entbehrtes Vergnügen! Das Heimweh war aber in diesen Tagen besonders stark! Recht lebhaft wird es auch immer angeregt durch die deutschen und englischen Schiffe, die nach Norden abgehen und denen ich immer viele tausend Grüße mitgebe! - . . .