Italienfahrt - Ernst Haeckel

Messina, 22. 10. 1859

Brief Nr. 49

Auch der zweite Arbeitstag ist glücklich vorüber, mein liebster Herzensschatz, und hat mir noch reicheres, interessanteres Material in wahrhaft überraschender Fülle geliefert, so daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, und vor Mutlosigkeit über die Ohnmacht meiner Kräfte gegenüber diesen Wundermassen meine Hänge sinken lasse, wie ich es in Neapel aus Trübsinn über den Mangel an Material tat. Wenn das aber so herrlich reich mit der Meeresbeute fortgeht, kann ich hoffen, daß endlich einmal eine orgentliche Arbeit zustande kommen wird und dann mir dabei der lange, einsame Winter auch viel rascher schwinden wird, als ich gefürchtet hatte. Auch haben mir Lewes "Studien am Seestrande", die ich in den letzten Abenden beinah schon ganz durchgelesen habe, die Arbeitslust wieder neu geweckt und mich auf vieles aufmerksam gemacht, das ich hier speziell beachten werde. Ich glaube, ich habe Dir im Trouble der Abreise von Neapel, wo ich das Buch kurz vorher durch Binz erhielt, noch nicht einmal dafür gedankt, liebster Schatz! Du weißt gar nicht, was für eine große Freude Du mir damit gemacht. Auf der Durchreise durch Würzburg sah ich nämlich das Buch bei Kölliker und hätte es mir so gern mitgenommen, konnte es aber dort nicht mehr bekommen. Nun hat inzwischen mein Liebchen meinen Wunsch erraten und mich mit seiner Erfüllung überrascht! Das hat mich sehr gefreut, und ich habī es nun mit doppeltem Interesse gelesen. Wenn es uahc hinter c. Vogts "Ocean und Mittelmeer", dem es offenbar nachgebildet ist, bedeutend zurücksteht, so hat es doch um des Verfassers willen, der doch eigentlich nur ein Dillettant ist, mehr Anspruch auf Nachsicht; und doch enthält es auch manche für mich neue, in bestimmter Richtung sehr anregende Gesichtspunkte. - . . .

Die deutsche Bewegung, die mich hier bei der Zurückkunft, nachdem ich 5 Wochen keine Zeitung gesehen, sehr überrascht, hat A. und mich sehr erfreut. Wenn nur Preußen nicht wieder schwach ist und halbe Maßregeln ergreift! Wollte es sich doch nur dem frechen Österreich entschieden gegenüberstellen und vor allem die Initiative zur Vertreibung der 36 Raubfürsten ergreifen! . . .


Brief 48 ..................................................Brief 50




zurück zum Inhaltsverzeichnis



Diese Seite ist Teil von Kurt Stübers online library.
Copyright 1999 Kurt Stüber.
Diese Seite wurde erstellt am 3. August 1999