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Kapitel XIX

Der schwarze Fluß

Voll von den herrlichen Eindrücken der Gebirgsreise durch das Hochland von Ceylon nahm ich am „Ende der Welt" von ihm für immer Abschied und stieg am 25. Februar von Monpareil nach dem ersten Dorfe des Thailgrundes, nach Billahul-Oya hinab. Dasselbe liegt bereits an der „großen Kaffeestraße", welche von den südöstlichen Kaffeedistricten, aus der Gegend von Badula, den Kaffee westwärts nach Ratnapura führt. Die Straße ist stets mit zahlreichen großen Ochsenkarren bedeckt, welche die Kaffeesäcke abwärts oder umgekehrt die Culturbedürfnisse der Kaffeepflanzer aufwärts schaffen. Bei Ratnapura wird der  K a l u -  G a n g a , der große „schwarze Fluß" von Ceylon, schiffbar. Hier wird der Kaffee in großen Booten verschifft, welche denselben flußabwärts bis zu dessen Mündung bei Caltura führen, und von hier endlich gelangt er auf der Eisenbahn nach Colombo. Ich hatte mit meinem Freunde Trimen beschlossen, für unsere Rückreise nach Colombo diesen Kaffeeweg (den er ebenfalls noch nicht kannte) zu adoptiren und zunächst von Billahil-Oya mit dem Ochsenkarren nach Ratnapura zu fahren, von dort zu Boot den schwarzen Fluß hinab nach Caltura, und dann mit der Eisenbahn nach Colombo. Diese ganze Fahrt erwies sich als höchst lohnend und sowohl die beiden interessanten Tage im Ochsenkarren, als besonders die wundervolle Flußfahrt bereicherten uns mit einer Reihe der schönsten Bilder, ein würdiger Abschluß der gelungenen Gebirgsreise. Das kleine Dorf Billa-Hul-Oya (d. h. wörtlich „Opfer-Fackel-Bach") führt seinen Namen von dem prächtigen Gebirgsbache, der hier in rauschenden Wasserfällen aus einer großartigen Schlucht des südlichen Gebirgsabsturzes hervorbricht und sich mit einem kleineren, vom „Ende der Welt" direct herabkommenden Bache, sowie mit mehreren anderen Bächen vereinigt. Die engen felsigen Betten dieser wilden Bäche sind mit der prachtvollsten Vegetation geschmückt und von steilen, himmelhohen Thalwänden überragt, die der ganzen, nach Westen geöffneten Landschaft einen höchst großartigen Charakter verleihen. Schon beim Hinabsteigen von Nonpareil hatte uns dieselbe so entzückt, daß wir ine paar Tage an diesem herrlichen Orte zu bleiben beschlossen. Das Rasthaus des Dorfes liegt sehr schön an der steinernen Brücke, welche den Bach überwölbt, und ist von einer gewaltigen Tamarinde überschattet; einen großartigen Hintergrund darüber bildet das Felsenamphitheater vom „Ende der Welt". Die Verpflegung in dem comfortablen Rasthause fanden wir auch verhältnißmäßig recht gut; wenigstens kam es uns nach den Entbehrungen in der Steinhütte von Horton-Plain´s so vor. Wir entließen demzufolge den ganzen Troß unserer Kuli´s und behielten bloß ein paar Diener bei uns, die uns bis Caltura begleiten sollten. Die Kuli´s nahmen ihren directen Rückweg nach Kandy und Nurellia über den Adams-Pik. Während Dr. Trimen die reiche Flora in der Umgebung von Billahul-Oya untersuchte und durch die Entdeckung mehrerer neuer interessanter Pflanzenarten belohnt wurde, machte ich allein einige Excursionen in die verschiedenen Thäler und bereicherte mein Skizzenbuch mit mehreren Aquarellen. Ich bedauerte nur, daß ich hier nicht mehrere Wochen, statt weniger Tage bleiben kann. Denn die tropische Vegetation, an deren Reize ich nun doch schon seit mehr als drei Monaten gewöhnt war, schien hier am südlichen Fuße des centralen Hochlandes ihre höchste Entfaltung zu erreichen. Da die brennende Tropensonne hier ihren mächtigsten Einfluß ausübt und gleichzeitig die Menge der atmosphärischen Niederschläge an der gewaltigen Gebirgsmauer überaus groß ist, so bringt die vereinte Wirkung von größter Hitze und Feuchtigkeit eine Ueppigkeit des tropischen Pflanzenwuchses hervor, die vielleicht von keiner anderen Stelle der Erde übertroffen wird. Indem ich stundenweit dem Laufe der Bäche folgte und in den steilen Felsenschluchten umherkletterte, stieß ich auf Wunderwerke der Ceylon-Flora, die alles bisher Gesehene übertrafen. Insbesondere waren es wieder die parasitischen Kletter- und Schlingpflanzen, die meine höchste Bewunderung erregten. Mächtige Baumstämme von mehr als ein Fuß Dicke winden sich hier korkzieherartig um die cylindrischen Säulenstämme von anderen Baumriesen, die mehr als hundert Fuß Höhe erreichen; in ähnlicher Weise wie bei uns die zarte Waldrebe oder der wilde Wein mit ihren bindfadendünnen Kletterstengeln sich um den Stamm von schlanken Buchen oder Tannen emporwindet. Von den gewaltigen Kronen hoher Terminalien und Dillenien hängen grüne Mäntel herab, die aus einem förmlichen Flechtwerke von verwachsenen Lianen bestehen, und oft bedecken die goldgelben Blüthen der letzteren die Krone der ersteren in solcher Ausdehnung, daß man sie nicht für die Blüthen der Schmarotzer, sondern ihrer Wirthe hält. Unzweifelhaft der großartigste dieser Parasiten ist jedoch der berühmte „Maha-Pus-Wael", der „große hohle Kletterer" (Entada Pursaetha); seine reifen Schoten sind volle fünf Fuß lang und einen Fuß breit, und enthalten schöne braune Bohnen von solcher Größe, daß die Singhalesen sie aushöhlen und als Trinkbecher benutzen. Nicht minder herrlich als dieses Djungle mit seinen mannigfaltigen Parasiten ist auch die niedere Flora, welche in üppigster Entwickelung die Felsen der rauschenden Bäche begleitet. Hier zeichnen sich besonders edle Farne mit zierlichen Fiederblättern von zehn bis zwölf Fuß Länge aus, ferner Balsaminen, Aroideen und Gewürzlilien, die mit den prächtigsten großen Blüthen geschückt sind. Eine besondere Zierde der Bäche ist hier eine kleinere Pandanus-Art (P. humilis?), die kleinen Zwergpalmen ähnlich sehen und in Menge auf den Steinen im Bache wachsen. Die Lianen an dem Buschwerke, das die Bachufer überhängend säumt, bilden ein so dichtes und undurchdringliches Gewebe, daß man nur im Bette der Bäche selbst vorwärts kommen kann. Allerdings reicht das Wasser oft bis über den Gürtel; aber bei der Temperatur von 22-24o R. erscheint das fortgesetzte Baden in demselben als eine höchst angenehme Erfrischung. Größere Schwierigkeiten bereitete meinen Excursionen der Hauptbach des Thales, der zu den bedeutendsten Zuflüssen des schwarzen Flusses gehört und hier aus dem Zusammenflusse mehrerer kleiner Bäche entsteht. Durch die starken Regengüsse, welche an den vorhergehenden Tagen im Hochlande stattgefunden hatten, war derselbe so sehr angeschwollen, daß er eine Reihe von hübschen Wasserfällen bildete und seine Wassermassen unter lautem Brausen schäumend über die gewaltigen Granitblöcke des Flußbettes fortwälzte. Hier war nicht mehr daran zu denken, im Flußbette selbst aufwärts zu klettern, und ich war gezwungen, als Brücken die nackten Baumstämme zu benutzen, die von einem Ufer zu anderen gelegt waren. Mit einigem Gruseln erinnere ich mich hier einer solchen Nothbrücke, die ungefähr eine Stunde unterhalb von Billahul-Oya hoch über eine rauschenden Wasserfall führte. Ich war spät am Abende, auf dem Rückwege von einer weiteren Excursion, gezwungen, dieselbe zu passiren , um noch vor Anbruch der Nacht auf das jenseitige Ufer zu gelangen.Als ich mitten über dem tosenden Wasserfalle war, fing der ziemliche dünne Baumstamm, über den ich langsam und vorsichtig balancirte, dergestalt zu schwanken an, daß ich es für das Gerathenste hielt, meine aufrechte Stellung aufzugeben, mich langsam auf den Stamm niederzulassen und den Rest des Weges im Reitsitze zu passiren; ich athmete ordentlich auf, als ich mit Aufgebot aller meiner Turnkünste das andere Ufer glücklich erreicht hatte. Allerdings hatte ich nun das Vergnügen, im Dunkeln noch eine halbe Stunde durch überschwemmte Reisfelder zu waten. Als ich schließlich halb mit Schlamm bedeckt im Rasthause anlangte, zeigten mir die langen Blutstreifen an den Beinkleidern deutlich, daß die entsetzlichen Blutegel wieder ihr Werk begonnen hatten; ich las ihrer mehrere Dutzend von den Beinen ab. Diese schreckliche Landplage, die im Hochlande glücklicherweise ganz fehlt, begann hier im heißen feuchten Tieflande sofort wieder ihre Qualen; ich habe an wenigen anderen Orten von Ceylon so sehr von den Landblutegeln gelitten, als in den wundervollen Wäldern und Schluchten von Billahul-Oya. Die Fahrt im Ochsenkarren von Billahul-Oya nach Ratnapura nimmt zwei volle Tage in Anspruch; und da die Ochsen während der heißen Mittagszeit mehrere Stunden rasten müssen, brachen wir schon Morgens früh um 4 Uhr auf. Die erfrischende Kühle der reinen Morgenluft und der außerordentliche Glanz der funkelnden Gestirne am tiefblauen Firmament ist in diesen Thälern ganz wundervoll und wir gingen mehrere Stunden lang neben den bedächtigen, großen Zebu-Stieren unseres langsam fahrenden zweirädrigen Karrens einher, ehe die zunehmende Hitze der steigenden Sonne uns zwang, unter dessen breitem Dache Schutz zu suchen. Dieses gewölbte Dach aus Palmenmatten bietet genügenden Raum für sechs bis acht Personen, und wir konnten uns auf ausgebreiteten Matten unter demselben ganz bequem lagern, obgleich die Stöße des federlosen Karrens auf die Dauer etwas angreifend waren. Die Landschaft ist auf dieser ganzen Strecke voll hoher Schönheit. Der Weg zieht sich anfangs noch lange am Südabhange des Hochlandes hin, dessen gewaltige Gebirgsmauern die Ketter der niedrigen waldbedeckten Vorberge hoch oberragen. Die fruchtbare Thalebene an ihrem Fuße erweitert sich allmählich und ist theils mit Reisfeldern, theils mit Pflanzungen von Mais, Cassaven, Bananen und anderen Nutzpflanzen bedeckt. Hübsche Waldpartien, mit diesen wechselnd, hier und da ein malerisches Dorf, ein Wasserfall des immer stärker werdenden Baches, bringen Mannigfaltigkeit in das anmuthige Bild. Papageien und Affen auf den Bäumen, Büffel und Reiher auf den Wiesen, Eisvögel und Kraniche an den Bächen sorgen für bunte Staffage. Auch die Straße selbst ist sehr belebt, theils durch Singhalesen, theils durch Ochsenkarren. Nach heißer, achtstündiger Fahrt rasteten wir am ersten Mittage in  M a d u l a , einem kleinen Dorfe, das sehr malerisch in einer engen Waldschlucht liegt. Ich erquickte mich alsbald durch ein herrliches Bad in dem nahen Gebirgsbache; sein Genuß wurde nur durch Scharen kleiner Fische (Cyprinodonten?) beeinträchtigt, welche in dichten Haufen energische Angriffe auf den seltenen Badegast richteten; leider gelang es mir nicht, einen der kleinen flinken Räuber zu fangen, trotzdem sie unaufhörlich aus ihrem felsigen Verstecke hervorschossen und mit ihren kleinen Mäulchen muthig zu beißen versuchten. Nach dem Mittagessen kletterte ich in das steinige Bett des Hauptbaches hinab, dessen steile Felsenufer mit dem schönsten Hochwalde geschmückt und mit den üppigsten Schlingpflanzen phantastisch decorirt waren. Gleich natürlichen Seilbrücken rankten sich mächtige Stämme von wildem Weine (Vitis indica?) in hohem Bogen von einem Ufer zum anderen, und es gewährte ein prächtiges Schauspiel, eine Affenherde, die ich aufgescheucht hatte, eben so geschwind als gewandt über diese Lianenbrücke unter lautem Geschrei hinüber voltigiren zu sehen. Ich kletterte in dem schäumenden Wasser über die glatten Felsen noch eine Strecke weiter, wo ein paar Riesenbäume erster Größe (Terminalien?) wie Säulen zum Himmel emporstrebten, mit mächtigen Lianen wie mit Kränzen und Guirlanden geschmückt. Während ich eine Skizze der wilden Scenerie aufnahm, entluden sich die inzwischen gesammelten Wolken in einem heftigen Gewitter. Die gewaltigen Blitze durchzuckten das finstere Waldthal Schlag auf Schlag und der Wiederhall der Donnerschüsse, einem starken Artillieriefeuer gleich, war so heftig, daß ich meinte, die mächtigen Felsenblöcke erzittern zu sehen. Der folgende Regenguß war von solcher Heftigkeit, daß das Wasser in zahllosen Bächen von den Felsenkanten herabstürzte und ich fürchtete, mein ganzes Malzeug durchnäßt zu sehen. Aber der tausendjährige Feigenbaum, unter dessen ungeheurer Krone ich Schutz gesucht hatte, trug ein so dichtes Blätterdach, daß nur einzelne Tropfen dann und wann durchschlüpften und ich mein Aquarell unbehelligt vollenden konnte. Ueber eine Stunde hielt der gewaltige Regenguß an; als ich nach Aufhören desselben zum Rasthause wieder hinaufkletterte, hätte ich beinahe einen schönen Fang an einer stattlichen, über sechs Fuß langen Schlange gemacht, die von einem überhängenden Baumzweige herabglitt. Sie entschlüpfte jedoch rasch zwischen den angehäuften Blättermassen, ehe ich ihr mit dem Jagdmesser den Garaus machen konnte. Zum Ersatze dafür erbeutete ich hier mehrere riesengroße, stachelige Spinnen (Acrosoma?), die mit ihren dünnen, behaarten Beinen spannenlang waren. Außerdem schoß ich ein paar hübsche grüne Papageien, von denen ein ganzer Schwarm laut schreiend vorüberflog. Die ersten Nachmittagsstunden, in denen die siegreiche Sonne das frischgewaschene Waldthal mit tausend glitzernden Diamanten schmückte, waren von entzückender Schönheit. Später brach leider der Regen von Neuem los und zwang uns, im Ochsenkarren Schutz zu suchen. Wir begegneten vielen Singhalesen, die unverdrossen im strömenden Regen mit stoischem Gleichmuthe weiter marschirten, aber ein großes Caladiumblatt über dem Haupte hielten, um ihren theuren Zopf und Kamm vor Nässe zu schützen. Erst spät am Abende gelangten wir nach Palmadula, einem größeren schön gelegenen Dorfe, in dem wir übernachteten. Von Pelmadula an wird die Gegend offener und flacher. Die gewaltigen Bergmassen des eigentlichen Hochlandes treten mehr zurück; wogegen niedrigere Hügelreihen sich mehr geltend machen. Unter den ersteren ragt dominirend über seine Nachbarn der Adams-Pik hervor, obwohl er von dieser südlichen Seite bei Weitem nicht so großartig erscheint, als von der östlichen und nördlichen Seite. Die Vegetation nimmt hier schon mehr und mehr den Charakter an, den sie im ganzen südwestlichen Theile der Insel beibehält. Insbesondere erfreuten wir uns wieder an dem Schmucke der herrlichen Palmen, deren Anblick wir im Hochlande ganz entbehrt hatten. Da wir am 28. Februar sehr frühzeitig von Pelmadula aufgebrochen waren, trafen wir in Ratnapura schon Mittags bei guter Zeit ein und konnten noch mehrere Stunden auf den Besuch dieses Ortes und seiner nächsten Umgebung verwenden. Letztere ist sehr schön; das Thal, das sich hier zu einem stattlichen, rings von Bergen umschlossenen Kessel erweitert, ist gut cultivirt und mit der üppigsten Vegetation geschmückt. Dagegen bietet der Ort selbst nur wenig, und wenn man aus seinem stolzen Namen: „Stadt der Edelsteine" etwa auf seine besondere Pracht schließen wollte, so würde man arg enttäuscht sein. Jener Name rührt von den zahlreichen Edelsteinen her, durch deren Reichthum diese Gegend seit Jahrhunderten berühmt ist; sie finden sich sowohl im Gerölle der Flüsse und Bäche, als in dem moorigen Grunde des Thalbodens; und noch jetzt gibt es hier berühmte Edelsteingruben, obwohl der Ertrag derselben bei Weitem nicht mehr so groß ist, als früher. Im Orte selbst sieht man viele Läden, in denen dergleichen verkauft werden, und viele Indo- Araber („Moormen"), die sich mit ihrer Verarbeitung und Schleifung beschäftigen. Doch nimmt auch hier schon die Zahl der künstlichen Imitationen neuerdings sehr zu, und wahrscheinlich werden schon jetzt in Ratnapura (ebenso wie in Colombo und Puntogalla) viel mehr geschliffene, aus Europa importirte, bunte Gläser verkauft, als echte, daselbst gefundene Edelsteine. Die Kunst der Nachahmung ist jetzt so vervollkomment, daß selbst Mineralogen und Juweliere von Fach ohne nähere physikalische und chemische Untersuchung die echten und unechten Producte oft nicht unterscheiden können. In der Mitte von Ratnapura, auf dem rechten (nördlichen) Ufer des schwarzen Flusses, steht unter einem prächtigen, uralten Tamarindenbaume ein hübscher Brunnen. Oestlich davon erhebt sich auf einem Hügel das alte holländische Fort, dessen weitläufige Bauten jetzt als Gerichts- und Verwaltungs-Locale der Regierungsbeamten benutzt werden. Am Fuße des Hügels dehnt sich der Bazar aus, eine lange Doppelreihe von einstöckigen Hütten, in deren Läden hauptsächlich Lebensmittel, Gewürze und Hausgeräth neben den Edelsteinen feilgeboten werden. Einige andere Gruppen von Hütten längs des Flußufers und eine Anzahl von freundlichen Bungalows der englischen Beamten, die von hübschen Gärten umgeben in der parkähnlichen Thalfläche zerstreut liegen, bilden mit jenem Bazar und dem Fort zusammen das, was man die „Stadt der Edelsteine" nennt. - Am 1. März fuhren wir von Ratnapura den schwarzen Fluß hinab, den  K a l u -  G a n g a , der hier erst schiffbar wird. Nächst dem Mahawelli-Ganga (der ostwärts fließt und bei Trinkomalie mündet) ist er der größte, stattlichste und schönste Fluß von Ceylon, obwohl der bei Colombo mündende Kelany-Ganga ihm fast gleich kommt. In der Nähe des Rasthauses von Ratnapura befindet sich der Hafen des Ortes, d. h. die Stelle, an welcher die Flußschiffahrt beginnt und eine große Menge Boote vor Anker liegen. Die meisten dieser Kähne sind „Kaffeeboote", welche den aus den östlichen Kaffeedistricten hierher geschafften Kaffee stromabwärts nach Caltura befördern, und welche leer (oder nur schwach mit Importartikeln beladen) den beschwerlichen Rückweg mache. Die Boote sind entweder Doppelcanoes, aus zwei parallelen, hohlen Baumstämmen bestehend, die durch Querbalken und übergelegte Bretter fest verbunden sind; oder mit einem sehr breiten und ganz flachen Boden ausgestattet, ohne Kiel. Vorder- und Hintertheil sind gleich gebaut. Stets sinddie mit einem ansehnlichen und wasserdichten Dache aus Palmen- oder Pandangmatten versehen, die über Bambusbögen ausgespannt sind. Der saalartige Raum unter diesem Dache, nur vorn und hinten geöffnet, ist so geräumig, daß auf den kleineren Booten 8-10, auf den größeren 20-30 Leute bequem darin lagern können. Auf den größeren Booten ist der Raum auf durch quer gestellte Mattenwände in mehrere Abtheilungen getrennt. Wir mietheten ein kleines Doppelcanoe mit vier Ruderern. Bei hohem Wasserstande und gutem Wetter kann man die ganze Fahrt auf dem schwarzen Flusse, von Ratnapura bis zur Mündung bei Caltura, in einem einzigen Tage zurücklegen, während man bei niederem Wasserstande oder schlechtem Wetter dazu zwei bis vier Tage braucht. Durch die heftigen Regengüsse der letzten Tage waren die Zuflüsse plötzlich so angeschwollen, daß wir den Vortheil eines sehr hohen Wasserstandes genossen und die ganze Fahrt ununterbrochen in achtzehn Stunden zurücklegten. Wir fuhren Morgens um 6 Uhr von Ratnapura ab und waren um Mitternacht in Caltura. Ich bedauerte diese Schnelligkeit nachher sehr; denn die Scenerie des Flusses erwies sich fast überall so prachtvoll, daß ich gern die doppelte und dreifache Zeit auf ihren Genuß verwendet hätte. Unsere Stromfahrt war vom schönsten Wetter begünstigt und ich werde nie die wunderbare Reihe von prachtvollen Bildern vergessen, die hier wie in einer Laterna magica an mir vorüberzog. Ich war neben meinem Freunde Trimen ganz vorm im Boote auf einer Palmenmatte bequem gelagert und durch das vorspringende Dach gegen die Sonne geschützt, während unsere Diener und Schiffsleute den mittlieren und hinteren Theil einnahmen. Hier wurden auch unsere frugalen Mahlzeiten bereitet, bestehend aus Thee, Reis und Curry, Bananen und Cocosnüssen; als besondere Würze dienten ein paar Conservenbüchsen und Chocoladentafeln, die wir bis zuletzt aufgespart hatten. Die dichten Massen des überhängenden dunkelgrünen Laubes und der schwarze Spiegel, den ihr tiefes Dickicht am Ufer im Wasser hervorruft, haben dem Kalu-Ganga, dem „schwarzen Flusse", seinen bezeichnenden Namen gegeben. Das Wasser selbst ist bei niederem Wasserstande dunkelgrün bis rothbraun, in Folge der großen Mengen gelben oder rothen Lehmes, welche die Regengüsse hinein führen. Ummittelbar am Ufer liefern schroffe Felsen und mannigfaltige Steingruppen, überhängende Zweige und entwurzelte Baumstämme dem Landschafter den schönsten Vordergrund für seine Skizzen; den erhabensten Hintergrund bilden die schöngeformten Gipfel der Berge, die in blauen Nebelduft getaucht weit höher erscheinen, als sie wirklich sind. Der weitaus größte Theil des Flußufers ist anscheinend von dichten Waldmassen gebildet; Aralien und Terminalien, Dillenien und Bombaceen, Rubiaceen und Urticeen machen ihren wichtigsten Bestandtheil aus. Mit dem ernsten Dunkelgrün dieses Waldes wechselt in anmuthiger Weise das heitere Lichtgrün der Bambusen, deren orangegelbe, vierzig bis fünfzig Fuß hohe Rohrstämme sich in dichten Büschen erheben und die zierlichen Federkronen gleich den Büscheln riesiger Straußenfedern über das Wasser neigen. Daneben verrathen uns Cocos und Areca, Talipot und Kittulpalmen, hier und da auch eine Pflanzung von Bananen und Cassaven, daß hinter dem Ufergebüsche auch Leute hausen, und daß die Flußufer keineswegs so wild und unbewohnt sind, wie ihr Waldsaum es vorspiegeln möchte. Seltener stehen einsame singhalesische Hütten einzeln auf einem Felsenvorsprunge des Ufers selbst, und noch seltener bezeichnet die weiße Kuppel einer Dagoba die Nähe eines kleinen Dorfes. Auch das Thierleben trägt in mannigfaltiger Weise zur Belebung der reizenden Flußlandschaft bei. In der Nähe der singhalesischen Hütten treiben sich zahme, schwarze Schweine am Ufer umher und wühlen in den Wurzeln der Bäume. Große schwarze Büffel wälzen sich auf Sandbänken oder am seichteren Ufer im Schlamme und lassen nur den Kopf über das Wasser hervorragen. Wo hingegen eine längere Strecke einsamen Waldes folgt, zeigen große Scharen von schwarzen Affen ihre bewunderungswürdigen Turnkünste und springen unter lautem Geschrei von einer Baumkrone zu anderen. Hier und da erscheint ein riesiger uralter Feigenbaum, dessen hohe entblätterte Aeste dicht mit Flederfüchsen behangen sind. Auf den überhängenden Zweigen am Ufer sitzen prächtige blaugrüne Königsfischer oder Eisvögel und stürzen sich tauchend auf die vorbeischwimmenden Fische; Schnepfen, Reiher, Wasserläufer und andere Stelzvögel fischen an seichteren Stellen und auf den Sandbänken watend. Die Kronen der Bäume sind von den munteren Scharen der grünen und rothen Papageien belebt. Bisweilen zeigt sich auch der schöne „Paradiesvögel von Ceylon", mit seinen beiden langen, weißen Schwanzfedern. Crocodile waren früher im schwarzen Flusse sehr häufig, sind aber jetzt größtentheils durch den zunehmenden Verkehr der Kaffeeboote verdrängt worden. An ihrer Stelle sonnen sich auf den Felsen im Strome die grünen Rieseneidechsen, die „Cabra-Goya". Auch an großen Flußschildkröten, die ihre Eier auf den Sandbänken ablegen, fehlt es nicht. Von Fischen sieht man in dem trüben, undurchsichtigen Wasser wenig, obwohl welsartige (Siluroiden) und karpfenartige (Cyprinoiden) sehr häufig sein sollen; hier und da sitzt am Waldrande ein einsamer Singhalese, der angelt, oder mit dem Schöpfnetze fischt. Von Insecten sind namentlich prachtvolle große Schmetterlinge und metallglänzende Wasserjungfern oder Drachenfliegen zu erwähnen; Stechfliegen und Mosquito´s, die zu anderen Jahreszeiten äußerst lästig sein sollen, waren während unserer Fahrt erträglich. Die interessanteste Episode unserer herrlichen Flußfahrt war die Passage der gefürchteten  S t r o m s c h n  e l l e n  oder „Rapids", die ungefähr halbwegs zwischen Ratnapura und Caltura der Schiffahrt auf dem schwarzen Flusse ein gefährliches Hindernis bereiten. Der Kalu-Ganga bricht sich hier gewaltsam Bahn durch mehrere Felsenbarren, welche das Flußthal gleich queren Riegeln durchsetzen; die hohen Ufer treten enger zusammen und unter lautem Brausen stürzt der eingeengte Fluß schäumend zwischen einzelnen Felsen hindurch; das Gefälle ist hier auf kurze Strecken sehr beträchtlich. An der gefährlichsten Stelle mußte unser Boot vollständig ausgeladen und alle Sachen einzeln eine Strecke weit am Ufer hinabgetragen werden; wir selbst kletterten über mächtige Granitblöcke an das andere Ende der Stromschnelle. Eine Anzahl Eingeborener sind hier beständig stationirt, um die entleerten Boote über die schäumenden Wasserfälle hinab und hinauf zu schaffen. Ein halbes Dutzend derselben, unter ihnen ein riesiger schwarzer Tamil von mehr als sechs Fuß Länge und herkulischem Körperbaue, sprangen unter lautem Geschrei mitten in die schäumende Fluth und wußten das leere Boot so geschickt durch das enge Thor hindurchzuleiten, daß es ohne alle Beschädigung zwischen den zackigen Klippen hindurchschoß. Einige Stunden unterhalb dieser Stromschnellen erweitert sich das Flußbett bedeutend und geht allmählich in die flache Ebene des westlichen Küstenlandes über. Das Gefälle wird hier bald sehr schwach und unsere Bootsleute hißten ein großes, viereckiges Segel auf, um durch die Hilfe des sanften Abendwindes die Ruderarbeit zu fördern. Bald nach Einbruch der Dunkelheit ergoß der aufgehende, nahezu volle Mond sein sanftes Licht über die weite spiegelnde Wasserfläche und warf glitzernde Strahlen durch die Kronen der Bäume. Der schwarze Fluß erscheint hier im untersten Theile seines Laufes nicht weniger stattlich als der Rhein bei Cöln. Nur die glockenähnlichen Stimmen kleiner Laubfrösche und das monotone Plätschern der Ruder unterbrach die lautlose Stille der Nacht, dann und wann der melancholische Schrei einer Eule, oder das Grunzen eines Affen. Die ganze Natur schien sanft entschlafen, als wir endlich nach Mitternacht in Caltura landeten.


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