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Kapitel XX

Heimwärts über Aegypten

Die prachtvolle Reise durch das Hochland, welche mit der Thalfahrt auf dem schwarzen Flusse ihren reizenden Abschluß fand, hatte das Programm meiner wichtigsten Wünsche und Ziele auf der Wunderinsel Ceylon geschlossen und ich mußte mich nun zur bevorstehenden Heimreise rüsten. Allerdings hätte ich sehr gern noch das interessante und besonders in zoologischer Hinsicht so reiche Trinkomalie gesehen, und auch den alten Ruinenstädten im Norden der Insel, dem berühmten Anaradjahpura und Pollanarua einen Besuch abgestattet. Aber mein halbjähriger Urlaub ging zu Ende; das letzte Linienschiff, welches mich noch rechtzeitig nach Europa zurückführen konnte, sollte schon am 11. März von Colombo abgehen, und ich will nicht verschweigen, daß trotz allen genossenen Herrlichkeiten doch das Heimweh sich immer mehr geltend machte und die glückliche Rückkehr nach der theuren deutschen Heimath mir immer mehr das Begehrendswertheste erschien. So begann ich dann alsbald nach der Rückkehr nach Colombo den Rest meiner Sammlungen zu packen und alle übrigen Vorbereitungen zu treffen. Einen sehr hübschen Ausflug machte ich noch mit Dr. Trimen nach Henerakgodde, einer Filiale des Peradenia-Gartens, welche an der Colombo-Kandy-Bahn im heißesten Theile des feuchten Tieflandes liegt und für die Cultur derjenigen Pflanzen bestimmt ist, die den höchsten Hitzegrad des Tropenklima´s verlangen. Ich sah hier Prachtexemplare von Riesenbäumen, Palmen, Lianen, Farnen, Orchideen u. s. w., die mich nach allem Vorhergegangenen noch in Erstaunen versetzten. Ein paar sehr angenehme Tage verbrachte ich bei dem guten alten Mr. Staniforth Green und seinem Neffen in der lieblichen „Villa der Tempelbäume"; und mit besonderen Vergnügen denke ich noch an eine reizende abendliche Kahnfahrt, die ich mit denselben auf dem spiegelglatten See der Zimmtgärten machte. Ein paar anderen lehrreiche Tage widmete ich dem Studium des Colombo-Museums, dessen jetzt anwesender Director, Dr. Haly, mir auf das Freundlichste die lehrreichen Schätze desselben erläuterte. Sodann machte ich eine Anzahl Abschiedsbesuche bei anderen Engländern, die meine Zwecke während meines hiesigen Aufenthaltes in freundlicher Weise gefördert hatten. Mr. William Ferguson bereicherte noch am letzten Tage meine Sammlung mit einigen prachtvollen, riesengroßen Tigerfröschen (Rana tigrina) und anderen Amphibien; und Freund Both krönte die Reihe seiner zoologischen Geschenke durch einen erwachsenen „Negombo-Teufel", das große, von den Singhalesen abergläubisch gefürchtete Schuppenthier, welches allein die Ordnung der Edentaten auf der Insel vertritt (Manis brachyura). Es kostete einige Mühe, dieses zählebige Ungethüm vom Leben zum Tode zu bringen, da die Processe des Hängens, des Bauchaufschneidens und des Einspritzens von Carbolsäure sich durchaus ungenügend erwiesen hatten; erst eine größere Dosis Cyankalium führte das Ende herbei. Alle freien Augenblicke, die mir das böse Geschäft des Einpackens übrig ließ, verwendete ich noch täglich auf den Genuß des geliebten Whist-Bungalow, von dessen schönen Punkten ich noch mehrere Photographien aufnahm. Der Abschied von diesem lieblichen Paradiese und von den braven Landsleuten, deren Gastfreundschaft ich hier genossen, wurde mir natürlich besonders schwer, und ich empfand in seltener Stärke jenes drückende Gefühl, welches dem Abschiede von einem geliebten Erdenflecke vorausgeht. Freilich wurde aber diese gedrückte Abschiedsstimmung wesentlich aufgehoben durch den einen Zukunftsgedanken:  H e i m w ä r t& nbsp;s !  In den Tropen hat dieses theuere Wort für jeden Europäer noch einen ganz anderen Klang, als irgendwo in Europa. Das Gefühl, von einer glücklich beendigten und erfolgreichen Tropenreise in die geliebte Heimath zurückzukehren, läßt sich nur mit demjenigen vergleichen, mit dem der Soldat aus einem siegreichen Feldzuge heimkehrt. Ich durfte es in der That als ein besonderes Glück preisen, daß ich während meines fünfmonatigen Aufenthaltes in den Tropen, trotz aller Anstrengungen und Strapazen, nicht einen einzigen Tag krank gewesen war und daß ich allen drohenden Gefahren glücklich entgangen war. Aber dieses Glück und jene Widerstandsfähigkeit haben auch ihre Grenzen, und ich hatte das instinctive Gefühl, nahe an diesen Grenzen angelangt zu sein. Die tausend wunderbaren und großartigen Eindrücke, mit denen die vier letzten Monate mich in überreichem Maße beschenkt hatten, waren fast allzu mächtig und hatten mich dergestalt übersättigt, daß ich die lebhafteste Sehnsucht nach Ruhe und Erholung empfand. Besonders während der letzten Woche in Colombo, wo zudem schon der drückende Einfluß des nahenden Monsun- Wechsels sich bemerkbar machte, fühlte ich mich ermatteter und mitgenommener als je zuvor. Ich sehnte mich zuletzt wahrhafft nach den kommenden ruhigen Wochen auf dem Dampfschiffe, und nach der stillen Muße, die mir dasselbe zur Bewältigung jener massenhaft zusammengerafften Eindrücke gewähren würde. Und diese erhoffte Muße, diese Sonntagsstimmung ruhigen Genusses, gewährte mir das schöne Schiff, auf dem ich von Colombo zurückkehrte, in vollstem Maße. Niemals habe ich eine schönere Seefahrt gehabt, als auf der prächtigen  „ A g l a j a " , dem vortrefflichen Dampfer des Oesterreichischen Lloyd, der mich in achtzehn Tagen von Ceylon nach Aegypten hinüberführte. Derselbe kam bereits von Calcutta so schwer beladen an, daß er den größten Tiefgang hatte, und daß meine Kisten, in Ermangelung anderen Raumes, im „Rauchzimmer" untergebracht werden mußten. Selbst bei stürmischem Wetter würde das vollgeladene Schiff nur wenig geschwankt haben. Unter dem prachtvollen, wolkenlosen Frühlingshimmel, dessen wir uns während der ganzen Fahrt erfreuten, den günstigen Nordostmonsum im Rücken, war die Bewegung des Dampfers kaum wahrnehmbar, und die zehntägige Reise über dem indischen Ocean, von Colombo bis Aden, gleich einer heiteren Sonntagsfahrt über einen stillen Landsee. Zu dieser großen Annehmlichkeit gesellte sich noch die andere, daß die Reisegesellschaft die willkommenste war. In der ersten Cajüte waren außer mir nur drei Passagiere, drei deutsche Landsleute, die von Calcutta heimkehrten, und mit denen ich mich vortrefflich unterhielt. Der alte Capitän, Herr N., war der liebenswürdigste, den ich je getroffen habe, und dabei ein humoristischer Philosoph, der alle Lebensweisheit von Sokrates und Aretschi in sich vereinigte. Das schöne Geschlecht war auf dem ersten Platze gar nicht vertreten, was die Bequemlichkeit unserer Fahrt nicht wenig erhöhte. Verzeihe mir, gütige Leserin, dieses frevelhafte Geständniß! Sowohl wir vier Passagiere, als die freundlichen Schiffsofficiere, mit denen wir unsere Mahlzeiten theilten, genossen die mancherlei Vorrechte, welche uns die gänzliche Abwesenheit der Damen ertheilte, in ausgibigster Weise und wir kamen während der ganzen Fahrt aus dem angenehmsten indischen Negligé nicht heraus. Weder Halskragen, noch Cravatte schnürten unsere Kehle ein; bequeme gelbe indische Hausschuhe ersetzten die schwarzgewichsten Stiefeln, und das ganze übrige Costüm bestand aus jener unvergleichlich leichten und angenehmen weißen Baumwollenkleidung, die in Indien als „Pundjama" allgemein üblich ist. Von entzückender Schönheit waren die Nächte während dieser Fahrt. Wir schliefen stets oben auf dem Verdeck, von der mildesten tropischen Seeluft umspült, unter dem tiefdunkeln Zeltdache des reinen Firmamentes, von dem die Sterne in unübertroffener Pracht herabfunkelten. Ich lag oft stundenlang in der Nacht wach und athmete mit vollstem Behagen die balsamische kühle Brise ein, im Vollgenusse des paradiesischen Friedens, der achtzehn Tage lang weder durch Briefe, noch durch Correcturen, weder durch Studenten, noch durch Pedelle gestört wurde. Pflichtschuldigst bewunderte ich sodann allnächtlich den „milden Glanz des südlichen Kreuzes" und lange Zeit schaute ich oft in das funkelnde Kielwasser hinab, das hinter dem Schiffe einen langen, feurigen Schwanz bildete, aus tausend leuchtenden Medusen, Krebschen, Salpen und anderen Leuchtthieren des Meeres zusammengesetzt. Tagsüber beschäftigte mich größtentheils das Ordnen und Ergänzen meiner Reisenotizen und Aquarellskizzen; und wenn ich des Schreibens, Malens und Lesens müde war, wanderte ich hinüber auf den zweiten Platz, wo eine indische Menagerie von Affen, Papageien, Waldtauben und anderen Vögeln uns unerschöpfliche Unterhaltung bot. In meiner eigenen kleinen Menagerie war das Interessanteste ein Halbaffe von Belligemma (Stenops gracilis); ein höchst amüsanter, kleiner Geselle, dessen fabelhafte Turnkünste wir jeden Abend bewunderten. Von den Einzelheiten unserer Rückreise ist wenig zu berichten. Am 10. März Mittags 2 Uhr hatte ich nach herzlichstem Abschiede von den Bewohnern des Whist-Bungalow Colombo verlassen. Am 12 passirten wir die  M a l e d i v e n  -Inseln und fuhren ziemlich nahe an den Cocoswäldern des Korallen-Eilandes Minikoi vorüber. Am 18. Morgens steuerten wir längs der malerischen Küste der großen Insel Sokotora hin, von deren zerklüftetem Gebirgsrücken sich mächtige schneeweise Sandfelder, Gletschern ähnlich, in das Meer senken. Am 20. Abends langten wir endlich in Aden an. Da wir jedoch wegen der fortbestehenden Chorlera-Quarantaine keine Pratica erhielten, dampften wir schon um 9 Uhr weiter, in das Rothe Meer hinein. Am 21. März passirten wir das Thränenthor, Bab el Mandeb, und am 22. die Guanoinsel Geb el Tebir. Ungeheure Massen von braunen Seeraben oder Cormoranen umschwärmten hier unser Schiff. Am 25. Morgens überschritten wir, dem Cap Berenice gegenüber, den Wendekreis des Krebses, fuhren am 27. längs der Sinaiküste hin und ankerten am 28. in der Morgenfrühe auf der Rhede von Suez. Da ich noch ein paar freie Ferienwochen vor mir hatte und von Alexandrien jede Woche mehrmals Fahrgelegenheit nach Europa fand, beschloß ich, vierzehn Tage in Aegypten zu bleiben; hauptsächlich um den schroffen Wechsel des Klima´s zu vermeiden, den gerade zu dieser Jahreszeit die plötzliche Uebersiedelung aus dem heißen Indien nach dem kalten Nord- Europa mit sich bringt. Auch reizte mich der Gedanke, die Natur von Unter-Aegypten, die mir bei meinem ersten Besuche, vor neun Jahren, so sehr imponirt hatte, mit meinen indischen Eindrücken zu vergleichen. Und dieser Vergleich war in der That lohnend; denn es kann kaum einen größeren Gegensatz in jeder Beziehung zwischen zwei Ländern der heißen Zone gegen, als den Constrast zwischen  C e y l o n  und  A e g y p t e n . Ich verließ demnach am Morgen des 28. März die treffliche „Aglaja", nach herzlichem Abschiede von den freundlichen Reisegefährten. Am folgenden Tage machte ich von Suez zu Esel eine Excursion nach der „Moses-Quelle", einer interessanten kleinen Oase in der arabischen Wüste, einige Stunden östlich vom Eingange in den Suez-Kanal. Am 30. März fuhr ich auf der Eisenbahn in neun Stunden von Suez nach Cairo, wo ich in dem freundlichen deutschen „Hôtel du Nil" meine Wohnung nahm. Zehn Tage in Cairo, diesem „Märchen aus tausend und Einer Nacht", benutzte ich, theils um die schönen Erinnerungen meines ersten Besuches aufzufrischen, theils um dieselben durch einige neue Excursionen zu ergänzen. Unter diesen war mir besonders ein weiterer Ausflug in die Wüste von Interesse, nach dem sogenannten  „ g r o ß e n   v e r s t e i n e  r t e n   W a l d e " . Unter der sachkundigen Führung eines freundlichen Apothekers und Botanikers Sickenberger, brach ich in Gesellschaft mehrer anderer deutscher Landsleute am 5. April, früh 6 Uhr, dorthin auf. Wir hatten uns alle gut mit Proviant und mit recht tüchtigen Eseln versehen, da der Ritt hin und zurück einen vollen Tag in Anspruch nimmt. Der Weg führte uns gegen Osten, zuerst durch die wunderbare Todtenstadt der Chalifengräber, weiterhin längs der nördlichen Abhänge des Mokattam-Gebirges hin. In vier Stunden scharfen Trabes mitten durch die Sandwüste hatten wir unser Ziel erreicht. Mitten in der pflanzenarmen Wüste liegen hier zwischen deren Sandhügeln versteinert eine große Menge stattlicher Baumstämme von 70-90 Fuß Länge, 2-3 Fuß Durchmesser. Die meisten gehören einem Balsambaume (Nicolia) aus der Familie der Sterculiaceen an. Die Mehrzahl der Stämme sieht glänzend schwarzbraun oder rothbraun, wie polirt aus, und ist in Stücke von zwei bis sechs Fuß Länge zerbrochen, die im Sande halb vergraben, zum Theil aber auch ganz frei hintereinander liegen. Am zahlreichsten sind sie in der Nähe des Kohlenbrunnens (Bir el Fahme), eines sechshundert Fuß tiefen Schachtes, den Mohamed Ali 1840 hier mitten in der Wüste graben ließ in der vergeblichen Hoffnung, Kohlen zu finden. Der Rückweg vom versteinerten Walde nahmen wir durch das  W a d i -  D u g l a , ein großartiges und malerisches Felsenthal, durch welches die nach Mekka bestimmte Pilgerkarawane von Cairo nach Suez zieht. In den mannigfachen Schlangenwindungen dieser wilden Schlucht, deren nackte gelbweiße Felsenwände beiderseits fast senkrecht emporsteigen, ritten wir mehrere Stunden abwärts, ehe wir wieder das Nilthal erreichten, zwischen Wadi-Turra südlich und den Mokkatam-Höhen nördlich. Erst spät Abends trafen wir wieder in Cairo ein. Dieser Wüstenritt, der einen recht guten Einblick in den Charakter der arabischen Wüste gewährt, regte mich lebhaft zu Betrachtungen über den merkwürdigen Gegensatz an, in welchem die ganze Natur von Unter-Aegypten zu derjenigen von Ceylon steht. Dieser ungeheure Contrast betrifft in erster Linie das Klima und die Vegetation, in zweiter Linie aber auch die gesammte übrige Natur und die Menschenwelt. Während der alte Meeresboden, der jetzt die gelbe ägyptische Wüste bildet, reich an schönen Versteinerunge ist, die sein verhältnismäßig jugendliches geologisches Alter bezeugen, ist der uralte Felsenleib des grünen Ceylon aus Urgestein gebildet, in dem Versteinerungen vollständig fehlen. Während dort die größte Trockenheit der Atmosphäre kaum den dürftigsten Pflanzenwuchs gestattet, bedingt hier die vollkommene Feuchtigkeit der Luft eine Ueppigkeit der Vegetation, die von keinem anderen Theile der Erde übertroffen wird. Heftige atmosphärische Niederschläge, die dort sehr selten sind, gehören hier zu den alltäglichen Ereignissen. Die täglichen Temperaturschwankungen sind dort bekanntlich so groß, daß sich nicht selten gegen 30o R. betragen; mitten in der Wüste bildet sich in der Nacht bisweilen eine dünne Eiskruste, während um Mittag das Thermometer im Schatten auf 35o und mehr steigt. Im heißen und dampfenden Treibhausklima der Küste von Ceylon sind umgekehrt jene Schwankungen so gering, daß sie gewöhnlich nur 4- 5o betragen (21-26o R). Nicht minder auffallend als diese extreme Verschiedenheit in Bezug auf Boden, Klima und Vegetation ist diejenige der Menschenwelt, welche diese beiden Länder bewohnt. Dort in Aegypten die lauten und lebhaften Araber mit ihren verschämten, aufdringlichen und anmaßenden Charakter, fanatische Mohammedaner von hamitischer Rasse; hier in Ceylon die sanften und stillen Singhalesen, indolente Buddhisten von arischem Ursprunge, mit durchaus friedlichem, bescheidenem und furchtsamem Wesen. Während Aegypten mit seiner einzigen centralen Lage, mitten zwischen den drei alten Welttheilen, seit uralter Zeit die größte Rolle in der Völkergeschichte gespielt hat und der Zankapfel der mächtigsten Nationen, der Spielball der heftigsten Leidenschaften gewesen ist, hat das stille Paradies von Ceylon gleichsam außerhalb der großen Culturgeschichte gestanden und seine politische Geschichte hat niemals ihre locale Bedeutung überschritten. Als botanisches Symbol dieses merkwürdigen Gegensatzes kann ein einziger Baum dienen. In Aegypten wie in Ceylon ist es eine Palmenart, die an national-ökonomischer Bedeutung alle anderen Produkte der Pflanzenwelt übertrifft: dort die  D a t t e l palme, hier die  C o c o s palme. Obgleich nun diese beiden edlen Gaben der Flora fast gleich hohen Werth besitzen und jeder einzelne Theil derselben seine Nutzanwendung hat, so ist diese doch im Einzelnen ebenso verschieden, wie der äußere Charakter beider Palmen und ihre Bedeutung für die Landschaft. In der ägyptisch-arabischen Landschaft ist die Dattelpalme ebenso unentbehrlich, wie die Cocospalme in der Küstenlandschaft von Ceylon. Der Nordländer, der die Alpen überschreitet und in Italien zum ersten Male die Dattelpalme kennen lernt, bewundert sie als edlen Vertreter der Palmenfamilie; und diese Bewunderung steigt noch, wenn er weiter südwärts nach Aegypten kommt und hier dieselbe massenhaft in ungleich vollkommenerer Form vorfindet. So hatte auch ich selbst sie früher mit besonderer Andacht verehrt. Wie anders jetzt, wo die ungleich edlere und vollkommenere Form der Cocospalme sich mir in Ceylon so fest eingeprägt hatte, daß ich die Dattelpalme daneben unansehnlich fand! Der schlanke, glatte und weiße Stamm der Cocos ist stets anmuthig gebogen und erhebt sich gewöhnlich zu der doppelten Höhe des plumpen, struppigen, graubraunen Stammes der steifen Dattel. Und ebenso übertreffen die mächtigen, schön geschwungenen, gelblich grünen Fiederblätter der Cocos an Größe und Schönheit um mehr als das Doppelte die steifen und starren, graugrünen Wedel der Dattel. Der ganze malerische Werth der Cocos übertrifft denjenigen der Dattel in ähnlichem Verhältnisse, wie die mächtige, kopfgroße Nuß der ersteren, die kleine unansehnliche Frucht der letzteren. Während der Osterwoche, die ich in Cairo zubrachte, warfen die großen politischen Umwälzungen in Aegypten, deren Zeuge wir gegenwärtig sind, ihren Schatten bereits voraus. Der Haß der Aegypter gegen die Europäer, durch fanatische mohammedanische Priester aufgestachelt, machte sich wiederholt in Angriffen geltend. Ich selbst wurde zwei Mal insultirt, ein Mal durch einen Derwisch beim Besuche der Moschee el Abka, der Universität von Cairo; das andere Mal durch einen Soldaten, während ich am Nilufer saß und eine Skizze aufnahm. Nur durch einen günstigen Zufall entging ich beide Male dem Schicksale, noch am Ende meiner Reise in ernstliche Lebensgefahr zu gerathen. Ein englischer Maler war kurz zuvor beim Zeichnen der Chalifengräber, ebenfalls ohne jede Veranlassung, von einem Soldaten angegriffen und gefährlich verwundet worden. Man sagte schon damals, daß Arabi Pascha diese Conflicte systematisch fördere. In diesem ehrgeizigen Soldaten verkörpert sich sie Todfeindschaft des Islam gegen europäische Cultur. Die englische Regierung hätte viel erspart, wenn sie frühzeitiger mit Energie eingegriffen hätte. Da gegenwärtig vielfach die Erfolge der Engländer in Aegypten mit mißgünstigen Augen angesehen werden, will ich hier meine entgegengesetze Ansicht nicht verhehlen. Mir scheint, daß wir dieselben eher sympathisch begrüßen sollten, ebenso vom Standpunkte der allgemeinen Humanität als von demjenigen einer vernünftigen Politik. Die Aegypter selbst sind noch weit davon entfernt, ein modernes Culturvolk zu sein, und so lange der Islam seinen culturfeindlichen, lähmenden Einfluß ausübt, ist daran auch nicht zu denken. Andererseits liegt das Land selbst so mitten an der großen Weltstraße zwischen Orient und Occident, und speciell am driecten Wege von England nach Indien, daß Großbritannien den Besitz des Suez-Canals nicht mehr entbehren kann, weill es seine großartige Weltherrschaft aufrecht erhalten. Diese letztere selbst verdient Bewunderung. Denn die Englänger verstehen es weit besser, als alle anderen Nationen, Colonien zu gründen und zu verwalten. Gerade die eigene Anschauung, welche ich auf dieser Reise sowohl in Bombay als in Ceylon von der englischen Colonialherrschaft erhielt, hat meine aufrichtige Bewunderung derselben erhöht. Nur dadurch, daß Großbritannien das ungeheure indische Reich ebenso zweckmäßig als weise regiert, vermag es mit einer unverhältnißmaßig geringen Beamtenzahl dasselbe sich zu erhalten. Statt daher die Erweiterung und Verstärkung der britischen Weltherrschaft grollend mit den Augen des Neides anzusehen, sollten wir von ihrer klugen Politk lernen, deren Erfolge der ganzen civilisirten Menschheit zu gute kommen. Hätte Deutschland, dem Bespiele des stammverwandten England folgend, rechtzeitig Colonien gegründet, wie anders könnte der veredelnde Einfluß der deutschen Cultur sich in der Welt geltend machen; wie viel größer würde unser Vaterland dastehen! Meine Rückreise von Aegypten nach Triest verleif ohne erwähnenswerthe Erlebnisse. Ich verließ Morgens am 12. April auf dem österreichischen Lloyddampfer „Castor" den Hafen von Alexandrien und traf am 18. April Morgens wohlbehalten in Triest wieder ein. Eine schmerzliche Neuigkeit ereilte mich unterwegs, der Tod meines hochverehrten Freuzndes und Meisters Charles Darwin, dem ich erst vor wenigen Monaten, am 12. Februar, auf dem Gipfel des Adams- Pik einen Glückwunsch zu seinem 73. Geburtstag geschrieben hatte! Am 21. April, Nachmittags 5 Uhr, traf ich glücklich und wohlbehalten in meinem lieben alten Jena wieder ein. Da ich meine Ankunft erst auf den folgenden Tag angemeldet hatte, überraschte ich meine theure Familie und genoß nach schwerer halbjähriger Trennung das glücklichste Wiedersehen. Mit Dank gegen das gütige Geschick, das mir noch so spät die Erfüllung meines sehnlichsten Jugendwunsches gewährt hatte, zog ich wieder in das traute Daheim ein, reich beladen mit Schätzen von Erinnerungen, die mir für meine ganze übrige Lebenszeit eine unerschöpfliche Quelle des Genusses und der Erkenntniß bleiben werden!


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