Berg- und Seefahrten (1923)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]
der gastlichen Phäakeninsel warf! Mich wundert`s nur, daß die Engländer ihrerzeit keinen Tunnel durch den Pellekaberg getrieben und keine Eisenbahn nach dem Strande von Myrtiotissa angelegt hatten, um dieses wundervolle Seeband täglich zu genießen!

Nach diesem wilden Wellenbade erschien uns natürlich die stille Klosterzelle von Myrtiotissa, inder wir vor einem neuen Regengusse Zuflucht suchten, als ein höchst behaglicher Aufenthalt. Unsere romantische Stimmung wurde noch mehr gehoben, als uns die freundlichen Klosterbrüder einen ausgezeichneten türkischen Kaffee brauten - schaumig und duftend wie in Konstantinopel! Und dann stärkten sie unser Herz noch durch einen kräftigen Klosterschnaps (Raki oder Mastika). Wie in lateinischen Klöstern den besten Wein, so trifft man in griechischen den besten Branntwein, einen würzigen Likör, der aus verschiedenen aromatischen Kräutern, namentlich aus Terebinthen, gebraut wird. Nachdem wir dergestalt neue Lebenswärme in unsere Adern gegossen und dazu das mitgebrachte Frühstück mit dem einem solchen Heiligtum gebührenden Appetite verzehrt hatten, ließen wir uns auch noch die Reliquien und den alten Heiligenkram in der kleinen Klosterkirche zeigen. Unser Führer war selbst ein lebendiger Heiliger, ein wunderschöner Jüngling von etwa zwanzig Jahren, mit einem wahren Johannesgesicht, von langen, braunen Locken umflossen. Unter den Bildern kehrt hier überall eine schwarze Madonna mit scharzem Christuskind wieder, in silbernes Gewand gekleidet.

Ein anderes Mönchskloster liegt eine Meile von Myrtiotissa nordwärts, ebenfalls an der steilen Westküste. Dasselbe führt den Namen Paläocastrizza, d. h. "Altenburg", weil auf einer benachbarten Bergkuppe die Ruinen eines alten venetianischen Forts sich befinden. Die Fahrstraße, auf welcher man mit guten Pferde von der Stadt in drei Stunden hierher gelangt, ist kunstvoll von einem englischen Linienregiment angelegt, dessen Namen auf einer ehernen, in die Felswand eingelassenen Tafel verewigt ist. Man fährt zuerst längs des Meeres hin bis Govino, dann landeinwärts in westlicher Richtung durch herrliche Olivenwälder und gelangt darauf in eine waldige und felsige Gebirgsgegend. Die Szenerie verliert hier den weichen, idyllischen Charakter von Korfu und erinnerte mich lebhaft an eine Gegend von Korsika, so namentlich, als wir durch den Grund einer Felsenschlucht fuhren, in der ein wilder Bergbach sich ein tiefes Kiesbett ausgewühlt hatte. Die Hügel waren hier großenteils mit den gelben Blumensträußen des Goldregens (Cytisus) bedeckt; dazwischen in großer Zahl die gelbgrüne, baumartige Wolfsmilch (Euphorbia dendroides), eine blaue Iris, und auf dem Rasen Massen von der schönen roten Sternanemone (A. stellata).

Je mehr sich die Straße der Westküste nähert, desto wilder und großartiger wird die Szenerie. Zur Rechten schlängelt sich eine vielgewundene


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Bibliothek.
© Kurt Stueber, 2007. Dieses Buch ist geschützt durch die GNU Free Document License. Diese Lizenz erlaubt private und kommerzielle Verwendungen unter den Bedingungen der GNU Free Dokument License. Bei Verwendung von Teilen/Abbildungen bitten wir um die Quellenangabe: www.BioLib.de