Berg- und Seefahrten (1923)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]
blauer Quaste auf dem Kopfe, einen Schaufspelz oder eine gestickte bunte Jacke um die Schultern; um die Lenden den weiten, weißen, faltenreichen Leibrock (Fustanella), der durch ienen breiten roten Gürtel zusammengehalten wird, und in diesem letzteren ein ganzes Arsenal von alten Messern, Dolchen, Pistolen usw.; an den Füßen Sandalen oder gelbe, vorn aufgebogene Schnabelschuhe. Als besondere Charakterfiguren fallen uns die zahlreichen griechischen Geistlichen auf, malerische Gestalten in langem, faltigem scharzen Talar mit breitem Gürtel, auf dem Haupte eine hohe, schwarze Tiara von der Form eines Zylinders mit verengter Mitte; die meisten von diesen Popen, namentlich alle älteren, traten sehr lange, oft bis über den Gürtel herabwallende Bärte, die ihnen trotz ihres habituellen Schmutzes ein ehrwürdiges Ansehen verleihen. Dazwischen erblicken wir häufig im Gewühl der Gassen lässig umherschlendernde türkische Marinesoldaten und Matrosen von einem Kriegsdampfer der Pforte, der in Korfu Kohlen einnimmt; nicht minder oft stramme englische Seesoldaten von einem hier stationierten Panzerschiffe, ferner Matrosen der verschiedensten europäischen Nationen, deren Schiffe im Hafen ankern. Auch an einzelnen Negern, Ägyptern, Armeniern und anderen Figuren des Orients fehlt es in dem Gassengewühl von Korfu nicht; dazwischen zeigen englische, deutsche und österreichische Touristen regelmäßig die Ankunft eines griechischen oder eines Lloyd-Dampfers an.

Bei dieser Mischung der verschiedensten europäischen Elemente geht es in den engen Gassen von Korfu ziemlich laut zu. Doch fehlt das tosende Getümmel und das vielstimmige Geschrei, das den Verkehr in den süditalienischen Städten charakterisiert; das ruhige und gelassene Gebaren des Orients herrscht bereits vor. Auch ist die eingeborene Bevölkerung nicht zudringlich und dem Fremden lästig, sondern höflich und eher zurückhaltend. Die Landessprache ist eine Mundart des Neugriechischen. Italienisch wird daneben viel in der Stadt, auf dem Lande aber nur von den Gebildeten gesprochen. Doch trat selbst im ionischen Parlamente erst 1851 des Neugriechische an Stelle des Italienischen. Übrigens schmeichle sich niemand mit der Hoffnung, seine guten Kenntnisse des Altgriechischen für das Verständnis des neugriechischen Dialekts verwerten zu können. Da hilft weder Homer noch Thukydides! Nicht allein ist die Aussprache gänzlich verschieden, sondern auch die Grammatik ist sehr verändert und viele der gebräuchlichsten Wörter ganz abweichend, wie z. B. Wasser = Neró (altgr. Hydor), Wein = Krassi (altgr. Oinos), Brot = Psomi (altgr. Artos).

Wenn die Bevölkerung von Korfu zum größeren Teile griechischen Ursprungs ist, so erscheint das hellenische Element doch hier nicht weniger als in anderen Teilen Griechenlands mit fremden Zuflüssen vermischt. Ein wirklicher Stammbaum der korsiotischen Bevölkerung, namentlich der Stadt, würde gewiß die wunderlichste Zusammensetzung ergeben. Vermöge ihrer günstigen Lage und natürlichen Beschaffenheit war die Insel schon seit grauem Altertum der zentrale Knotenpunkt für


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Bibliothek.
© Kurt Stueber, 2007. Dieses Buch ist geschützt durch die GNU Free Document License. Diese Lizenz erlaubt private und kommerzielle Verwendungen unter den Bedingungen der GNU Free Dokument License. Bei Verwendung von Teilen/Abbildungen bitten wir um die Quellenangabe: www.BioLib.de