Berg- und Seefahrten (1923)

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Efeu, Opuntien, Agaven, duftigen Blumen und Rankengewächsen reich geschmückt. Auf einem tiefer gelegenen Vorsprung steht eine Kirche mit Säulenhalle, die geschickte Nachahmung eines altgriechischen Tempels, gegenwärtig als Garnisonkirche für die Besatzung der Feste benutzt. Eine Hauptzierde aber dieses Bildes, wie der meisten korsiotischen Landschaften, sind die zahlreichen schwarzen Zypressen, welche überall in Gruppen verteilt dem farbenglänzenden Gemälde Tiefe und Kraft verleihen.

Wahrhaft großartig und prächtig ist die Aussicht vom höchsten Punkte der Zitadelle, deren Besuch auch nicht der vorübereilende Wanderer, der nur wenige Stunden weilt, versäumen sollte. Hier umspannt unser Blick mit einem Male den ganzenn herrlichen Gebirgssee, zu unseren Füßen die schimmernde weiße Stadt mit ihren Mauern und Türmen, ringsum das reiche, mit dem üppigsten Grün geschmückte Gartenland, Ölwälder mit eingestreuten Zypressen, Orangen- und Limonenhaine, hier und da Wein- und Kornfelder; freundliche weiße Dörfchen allenthalben zerstreut, von zierlichen griechischen Glockentürmen überragt; und das alles übergossen vom Schimmer der hellenischen Sonne und gesättigt mit den wärmsten Farben, alles gehoben von dem tiefen Blau des Meeres und eingeschlossen in den schneebedeckten Gebirgskranz. Und dazi eine friedliche, stille Bevölkerung, die im sorglosen, behaglichen Stilleben ihre Tage nach Art ihrer phäakischen Vorfahren verträumt, deren einzige Sorge der gute Ausfall der Olivenernte, des Hauptreichtums der Insel bildet.

Die Stadt Korfu selbst bietet wenig Bemerkenswertes dar. Wie bei den meisten Städten des Orients entspricht das schmutzige, enge und unwohnliche Innere wenig dem bestechenden Glanze des äußeren Anblicks. In dem Labyrinthe von engen, winkelingen Gassen, die steil, zum Teil auf Treppen, bergan steigen und wunderlich durcheinander und übereinander laufen, kann sich der Fremde selbst nach wochenlangem Umherirren schwer orientieren. Auch die sogenannten Hauptstraßen der Stadt sind nicht gerade glänzend und nur durch die Reihen von venetianischen Säulenhallen ausgezeichnet, ähnlich wie die Portikus von Bologna. In den offenen Läden zu ebener Erde sieht es so farbenreich aus, wie in einem orientalischne Basar. Früchte aller Art, Öl, Käse, Tabak, Mais, Honig und die verschiedensten Hausutensilien werden da bunt durcheinander feil gehalten. "Pantopolien" (oder Laden für alles) heißen diese vollgestopften Magazine. Die griechischen Überschriften anderer Läden zeichnen sich durch ihre hübsche Zusammensetzung aus, so z. B. "Arabositocapnopolion", d. h. Verkauf von Mais (arabischem Korn) und Tabak. Buntes orientalisches Leben wogt in diesen engen Gassen durcheinander; und wie sich in jeder Beziehung Orient und Okzident in Korfu die Hand reichen, so ist auch die Bevölkerung seiner Gassen ein sonderbares Gemisch von Italienern und Griechen, Dalmatinern und Türken. Am meisten zeichnen sich durch ihre malerische Nationaltracht die Albanesen und die Griechen des Peloponnesses aus, einen roten Fez mit


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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