Berg- und Seefahrten (1923)

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Dafür wird dann freilich im eigentlichen Sommer die Hitze auch unerträglich, und wer irgend kann, flüchtet auf die kühleren Höhen der Berge. Schon im Mai treten hier die wahren Hundstage ein. Die unverhüllte Sonne schießt 3-4 Monate lang glühende Pfeile vom wolkenlosen, tiefblauen Himmel; alle Bäche trocknen aus und aller grüne Rasen wird verbrannt. Nur die immergrünen Sträucher und Bäume behalten ihren Blätterschmuck. Aber schon die ersten Regengüsse des Herbstes, welche meistens um Mitte September erscheinen, locken neue Blätter aus dem erhitzten Boden, und während des ganzen Winters prangt die Erde im frischen Grün und bunten Blumenschmuck.

Wegen dieses milden Winters und der weichen, feuchten Seeluft eignet sich Korfu trefflich zum Winteraufenthalt für Brustleidende. Von solchen wird es in den letzten Jahren in steigender Zahl aufgesucht, ebenso wie Ajaccio auf Korsika; und wie in letzterem Orte das treffliche deutsche Hotel Diez, so bietet in Korfu das ausgezeichnete Hôtel Bella Venezia, von den Gebrüdern Gazzi gehalten, und teilweise mit deutscher Bedienung, alle Bequemlichkeit und allen Komfort, den sich Kranke und Gesunde nur wünschen können. Der tägliche Pensionspreis beträgt hier 10 Francs. Das Hotel liegt sehr angenehm, die Front nach der Esplanade, gegenüber der Zitadelle, und in wenigen Schritten erreicht man die steil ins Meer fallende nördliche Hafenbastion. Hier prangt auf einem der schönstgelegenen Häuser, dessen Veranda lieblich mit Blumen geschmückt ist, der deutsche Reichsadler in stattlichem Wappenschilde. Es ist das Haus des vortrefflichen deutschen Konsuls, Herrn Fels, der seinen Landsleuten hier in freundlichster Weise behilflich ist. Von der hohen, wenige Schritte entfernten Mauer der Hafenbastion genießt man eine entzückende Aussicht über das ganze weite Seebecken von Korfu.

Die Stadt selbst liegt an der Westküste dieses herrlichen Sees, auf dem felsigen Vorsprunge einer vielfach eingeschnittenen Halbinsel. Koruf ist nicht allein die politische Hauptstadt der Ionischen Inseln, sondern zugleich die bei weitem größte, belebteste und zivilisierteste Stadt derselben, mit ungefähr 25000 Einwohnern. Ihr Anblick, wenn man sich ihr vom Norden nähert, ist entzückend und wird von vielen Reisenden als "eines der bezaubernsten Bilder der Levante" geprisen. Diesen eigentümlichen Zauber bedingt vorzugsweise die üppige Fülle der südlichen Vegetation, welche die stolzgelagerte Bergstadt umschließt, sowie die plastische Konfiguration der felsigen Halbinsel, deren höchster Vorsprung die Zitadelle trägt, die sogenannte "Fortezza vecchia". Die alten Mauern und Türme dieses ansehnlichen Kastelles sind ungemein malerisch auf dem steilen Felsgrate verteilt und drücken allen Ansichten dier Stadt Korfu ihren charakteristischen Stempel auf. Diese natürliche Felsenburg mti ihren beiden stolzen Gipfeln ist es auch, welche dem alten Karkyra seinen neuen Namen Corfus (= "Korophus") gegeben hat. Denn Korophus (Akkusativ) bedeutet "Gipfel". Die steilen Flanken des Felsens sind mit


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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