Berg- und Seefahrten (1923)

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Landschafts- als Genremaler - ist Korfu ebenso wie Korsika eine unerschöpfliche, noch kaum berührte Quelle der dankbarsten Stoffe. Statt immer wieder die abgegriffenen, tausendfach wiederholten Veduten von Rom und Neapel uns vorzuführen, sollten unsere besten Maler nach Korfu und Korsika gehen; sie würden reichlich belohnt werden.

Die Reise nach Korfu ist ja so leicht! Wer nicht seescheu ist, fährt von Triest direkt auf dem trefflichen Lloyd-Dampfer dahin in 48-50 Stunden; manchmal, wenn das Glück gut ist, sogar in kürzerer Zeit, wie ich denn auf der Hinreise, eine kräftige Bora im Rücken, nur 44 Stunden brauchte. Die Fahrt durch die Adria gehört zu den angenehmsten Seereisen. Hat man Triest um Mittag verlassen, so genießt man am Nachmittage den Anblick der istrischen Küsten und der sie schmückenden Städtchen, unter denen sich namentlich Pirano mit seinen mittelalterlichen Türmen und Mauerkronen auszeichnet. Wendet man sich zurück, so erfreut sich das Auge an der langgestreckten Ketter der Venezianer und Ampezzaner Alpen mit ihren vielzackigen Gipfeln und Schneezinnen. Am späteren Nachmittage hüllen sich letztere in den zartesten rosigen Duft und schimmern bei Sonnenuntergang in prächtigem Purpurglanz. In der Nacht passieren wir den Quarnero und am andern Morgen fahren wir der dalmatischen Küste entlang, über deren Inseln und Halbinseln sich die wilden Gebirge von Bosnien und der Herzegowina erhaben, gerade jetzt der Schauplatz einer neuen Szene in dem rätselvollen orientalischen Drama. Gegen Mittag fährt unser Dampfer zwischen den schöngeformten duftigen Rosmarin-Inseln Lissa und Lesina hindurch. An Bord unseres Schiffes befand sich zufällig ein österreichischer Marineoffizier, der hier 1866 auf dem Flaggenschiff unter Tegethoffs Führung an der ruhmvollen Seeschlacht teilnahm; er konnte uns die wichtigsten Punkte des marinen Schlachtfeldes zu unserer Rechten zeigen und ihre spannendsten Akte erzählen. Zur Linken aber sendete ich Grüße nach dem lieben Lesina hinüber, wo ich vor 6 Jahren im Franziskanerkloster vier höchst originelle Wochen verlebte und der Gastsfreundschaft des trefflichen Padre Buona Grazia durch eifrige Studien über die Gastrula mich würdig zu zeigen suchte. Weiter fahren wir zwischen den Inseln Curzola und Gazza hindurch, lassen Lagosta zur Linken liegen un d erblicken bald zur Rechten in weiter Ferne das einsame, ungewohnte Felseneiland Pelagosa. Auf dieser öden Klippe wurde kürzlich ein Leuchtturm errichtet, und das gab Veranlassung zu einer negativen Besitz-Kontroverse zwischen der österreichischen und der italienischen Regierung; denn keine von beiden wollten den toten Felsen in Besitz nehmen und die Kosten der Laternenunterhaltung tragen. Ein wenig weiter taucht in blauer Ferne rechts an der italischen Küste ein langer Bergrücken empor; das ist der heilige Monte Gargano, der sich steil aus der apulischen Tiefebene, dem Tavoliere di Puglia erhebt, der "Sporn am Stiefel Italiens". Hier liegt einsam und verlassen am Weststrande der Adria die ehrwürdige Hohenstaufenstadt


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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