Einge Tage der letzten Woche habe ich auch auf den Besuch der Londoner Kunstsammlungen verwendet: die Gemäldesammlung (Nationalgalerie), in welcher sich viele treffliche altitalienische und altniederländische Bilder befinden, der berühmte Tower, früher Staatsgefängnis, jetzt Zeughaus und Antiquitätensammlung, ferner das Kensington-Museum, eine höchst originelle, bunt zusammengesetzte Sammlung von allen möglichen Merkwürdigkeiten, und mehreres ander. Zum eigentlichen Kunstgenuß ist London gar nicht geeignet, es fehlt die nötige Muße, Ruhe und Beleuchtung. Auch tritt überall der Mangel tieferen Kunstsinns bei den Engländern hervor. Überall macht sich die Richtung auf das unmittelbar praktisch Nützliche geltend; hierin sind sie auch ausgezeichnet. Ein intelligenter Mensch kann sich in den höchst instruktiv aufgestellten und angeordneten Sammlungen Englands, besonders den industriellen und künsterlischen Sammlungen, eine Masse der schönsten Kenntnisse durch die einfache Selbstbelehrung erwerben. Am meisten hat mich bei den wissenschaftlichen Anstalten Englands die rege Teilnahme interessiert, welche dieselben bei der reichen Kaufmannswelt, dem einflußreichsten Teil der englischen Bevölkerung findet. Fast alle wissenschaftlichen Sammlungen und Institute, Schulen usw., auch der Zoologische Garten, werden nicht von der Regierung unterhalten, sondern von Privatgesellschaften, welche größtenteils aus reichen Kaufleuten bestehen. Die Mittel, welche auf diese Weise der Wissenschaft dienstbar gemacht werden, übersteigen alle deutschen Begriffe. Andererseits besitzt dagegen Deutschland in seinem Universitätswesen so große Vorzüge, daß es dadurch die materiellen Vorzüge der wissenschaftlichen Situation in England größtenteils wieder neutralisiert. Unbestritten steht das englische Universitätswesen weit hinter dem deutschen zurück, wie auch von den englischen Gelehrten selbst bereitwillig anerkannt wird. Auch der allgemeine Volksunterricht wird von dem deutschen bei weiten übertroffen.
2. Lissabon
Donnerstag, den 8. November 1866.
Meinen ersten Gruß aus dem Süden, liebe Freunde, erhaltet Ihr aus einer der wunderlichsten Situationen, die ich je erlebt habe. Denkt Euch einen mächtigen, hohen Felsen an den steilen Ufern der Tajo-Mündung, gerade gegeüber der stolzen Stadt Lissabon, welche in stundenlanden
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