Berg- und Seefahrten (1923)

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auf der einen Seite der Straße nicht die gegenüberliegenden Häuser erblicken konnte. Bei dem ungeheuren Gedränge und Gewirre in den engen Straßen sind zahlreiche Unglücksfälle während eines so dichten Rauchnebels unvermeidlich, und so fehlt es denn auch nicht an diesen Tagen an umgeworfenen Wagen, überfahrenen Menschen und Karambolagen aller Art. Als die Sonne zuerst wieder sichtbar wurde, erschien sie als eine matte, dunkelrote Scheibe ohne allen Glanz. Auch heute morgen war der Nebel so dicht, daß wir am Strande nicht das Schiff sehen konnten, welches wenige Schritte von demselben entfernt lag. Erst als wir uns aus dem Bereiche der City entfernten und als die ungeheuren Warenhäuser und Docks der östlichen Vorstädte Londons hinter uns lagen, wurde es heller und klarer, und wir begrüßten mit Freude das seit 14 Tagen entbehrte Sonnenlicht . . .

Die Themsefahrt heute morgen von London ab war höchst unteressant. Einen Hafen von solchen Dimensionen gibt`s allerdings in der ganzen Welt nicht wieder. In ganzen Reihen folgten hintereinander, auf beiden Uferseiten der Themse, die kolossalen Docks, aus denen ganze Wälder von Masten hervorragen. Jedes einzelne dieser Docks kann es schon mit einem tüchtigen Mittelmeerhafen aufnehmen; und nun diese Massen beisammen! Wie verschieden dagegen die Schiffsmassen von Marseille, Neapel, Messina, von Hamburg und Bremen. In London ist alles kolossaler und massenhafter als in allen anderen Häfen.

Die letzten Tage in London habe ich noch größtenteils mit dem Genuß des herrlichen Britischen Museums und des ausgezeichneten Zoologischen Gartens zugebracht, sowie mit Abschiedsbesuchen bei denjenigen englischen Naturforschern, mit denen ich am meisten verkehrt habe: Huxley, Lyell und Flower. Einen Tag habe ich auf den Besuch von Kew verwendet, dessen Botanischer Garten sehr großartig und reich, obwohl nicht in dem Grade von den übrigen ausgezeichnet ist, wie ich von der Schilderung erwartet hatte. Einen anderen Tag habe ich im Kristallpalast zu Sydenham zugebracht, eine höchst großartige und reiche Ausstellung der verschiedenartigsten Kunst- und Naturgegenstände. Besonders überraschend ist die sogenannte tropische Abteilung des riesigen Glaspalastes, welches einen äußerst geschmackvollen, mit herrlichen Tropenpflanzen, Palmen, Bananen, Baumfarren usw. geschmückten Saal darstellt, auf dem Boden ein Wasserbassin mit blühenden Lotospflanzen, an den Seiten ringsum sehr getreue Darstellungen interessanter orientalischer Baudenkmäler, assyrische, ägyptische, maurische Paläste und kolossale Statuen, den Löwenhof der Alhambra, einen ganzen ägyptischen Tempel, ein ganzes römisches Haus von Pompeji usw. Alles ist auf das zierlichste und geschmackvollste mit tropischen Schlingpflanzen dekoriert, die Wände außerdem mit zahllosen Merkwürdigkeiten geschmückt.

An dem Kristallpalast schließt sich ein großer Park an, in welchem höchst interessante plastische Nachbildungen der kolossalen tertiären Säuge


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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