Berg- und Seefahrten (1923)

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Von Heiligenkreuz aus, wo wir uns unter einer Menge anderer Sonntagsspaziergänger mit Furage versorgten, wurde der anmutige Weg noch viel schöner, indem er, südöstlich dem Lauf des Schwechatbaches folgend, in dem herrlichen, vielberühmten Helenental herabführte, welches wohl mit Recht unter allen landschaftlichen Umgebungen Wiens den ersten Rang einnimmt, obwohl zum Teil schon zu viel daran herumgekünstelt ist. Mitten durch die mit frischen Matten bedeckte Talsohle schlängelt sich der vielgekrümmte Bach, zu dessen Seiten die hohen, vielfach in Formation und Bekleidung wechselnden Talwände, bald felsig, bald waldig, hier eng zusammentreten, während sie gleich darauf wieder weit kesselartig diversieren. An einer Stelle drängen sie den Fluß so eng zusammen, daß die das Tal ganz abschnürende Felswand (Urtelwand) durch einen Tunnen durchbrochen werden mußte. Oberhalb dieser letztern steigt an der rechten Talwand von den Krainer Hütten aus das "eiserne Tor" empor, der höchste Berg in diesem Abschnitt des Wiener Waldes, den wir, durch die Genüsse des Morgens ermuntert, noch zu besteigen beschlossen, obwohl es schon 4 Uhr nachmittags vorbei war, als wir an seinem Fuß anlangten. Auch kamen wir nach beinahe zweistündigem angestrengtem Steigen glücklich auf dem steilen, hohen Gipfel an, wurden aber im Betreff unseres Hauptzweckes schmählich betrogen, indem das hohe Unterholz uns jede Aussicht vollkommen verschloß. Zwar erhob sich inmitten desselben auf dem höchsten Punkt ein sehr hoher aussichtsturm, über dessen Tür in großen goldnen Buchstaben stand: FUERST SIMON SINA DEM VERGNUEGEN DES PUBLICUMS1 Allein - diese Tür war und blieb zu, trotzdem wir nicht nur auf jede Weise ein menschliches Wesen daraus hervorzulocken, sondern auch geradezu ihn zu stürmen versuchten und mit Bäumen und Felsen gigantenartig den Turm berannten. Unverrichteter Sache mußten wir bald wieder abziehen, hatten jedoch die Genugtuung, beim Herabweg auf ein paar freie Waldplätze zu gelangen, von denen wir zwar kein ganzes Panorama, aber doch ein paar sehr schöne Teilansichten, teils über das ganze Gebirge bis Wien, teils nach dem Schneeberg und seinen Alpen (südlich) genossen. Auch der letzte Teil des schönen Helenentals, mit einigen grandiosen Ruinen auf hoher, steiler Felswand geschmückt, den wir schon auf usnerer durch Regen mißglückten Tour am Sonntag vorher (17. Mai) kennen gelernt hatten, bot uns zuletzt noch ein sehr befriedigendes Ende unserer Exkursion.

In Baden langten wir erst gegen 9 Uhr an und trennten uns hier in zwei Partien, indem die Majorität nach Wien zurückfuhr, während Focke und Chamisso zurückblieben, um, durch das gute Wetter ermutigt, eine schon vorher verabredete Frühlingspartie in die so nahen Alpen, in specie eine Besteigung des Schneeberges, zu versuchen. Ich selbst wollte zwar anfänglich nicht daran teilnehmen, da ich nur sehr ungern Freitag bei Brücke die physiologische Vorlesung versäumte, konnte es aber doch unmöglich übers Herz bringen, eine so herrliche Gelegendheit zur Erfüllung


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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