Berg- und Seefahrten (1923)

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Ruinen, die, teils künstlich, teils natürlichg die Berghöhe überragen, hervorbringen, so hat man ein recht ansprechendes und wechselvolles Landschaftsbild, das bei dem herrlichen Frühlingsmorgen zu doppeltem Naturgenuß aufforderte.

Jauchzend und singend wanderten wir denn auch munter und jugendlich frisch in der herrlichen Gebirgsnatur vorwärts, erklommen zuerst die Trümmer der Markgrafenburg, von denen aus, am Eingang des Tals, man einen prächtigen Überblick desselben und einen Durchblick auf die weite Ebene genießt, dann, durch dichtes Gebüsch über 500 Fuß steil aufkletternd, den Siegenstein, den höchsten der umliegenden Berge, dessen Gipfel ein dorischer Tempel, der sogenannte Husarentempel, ziert. Hier genossen wir die erste prachtvolle Aussicht, östlich auf die weite, unabsehbare Ebene mit ihren fruchtbaren Feldern und Gräben, durch viele hundert Dörfer, Landgüter und Städte belebt und am Horizont von der flachen Wellenkette des Leithagebirges bekränzt, nördlich die in einem verworrenen Knäuel verschmolzenen Häusermassen Wiens, aus dem nur der riesige Stephansturm als überall kenntliches Wahrzeichen hervorragt, weiterhin die gebüschumschlossenen Donauufer, westlich in die grünen Bergketten des Kahlengebirgs und Wiener Walds übergehend, die sich in schönen Wellenformationen bis zu den nächsten Bergen der Umgebung heranziehen. Auch nach Süden setzt sich dieser grüne Höhenzug weiter fort, erhält hier aber einen großartigen Hintergrund durch den kahlen, weißgefurchten Riesenrücken des lang hingestreckten Schneeberges, an den sich im Südwesten noch einige andere Schneefelder aus den steierischen Alpen anschließen.

Von der hohen Aussichtswarte herabgestiegen, durchschnitten wir einen Teil dieses grünen Waldgebirgs, indem wir im Nordwesten von Baden über Gaden nach Heiligenkreuz gingen, ein sehr anmutiger vierstündiger Waldweg, abwechselnd durch Laub- und Nadelholz, der in ersterem uns auch, besonders an den freien Stellen, sehr schöne botanische Ausbeute lieferte, die freilich nicht so mannigfaltig ist wie die ungemein reiche Kalkflora am Eingang des Brühl, wo wir eine Masse Hesperis tristis, Alyssum montanum, Arabis petraea et turrita, Cytisus ratisbonensis, Globularia cordifolia et vulgaris, Erica carnea, Daphne Cneorum, Primula acaulis, Muscari usw. gefunden hatten. Bei Gaden begegnete mir auch zum ersten Male Androsace marina und Dentaria enneaphyllos. Sogar mein zoologischer sinn wurde in vieler Hinsicht überrascht, indem wir überall in Menge die ganz prachtvollen, grünen, großen Eidechsen des Südens mit dem blauzen Kopfe (Lacerta viridis)auf den grasigen Felsen sich sonnten und dazwischen riesige Exemplare von Coluber Aesculapii, einer gegen 4 Fuß langen, schwarzbraunen Schlange, sich zeigten, den denen ich beim Heraufklettern auf einen Baum zu fangen das Glück hatte. Sehr zahlreich zeigte sich hier, wie nachher im Helenental, die Blindschleiche, überall von einer bei uns ganz ungewöhnlichen Größe.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von Herrn Dr. Kurt Stüber zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Juni, 2003. Eingabe des Textes durch Kurt Stüber, Oktober, 2003.
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