"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

69. Brief

Jena, 29. Juli 1871.




Mein liebes, süßes Röschen! Obgleich Clärchen heute an Euch ausführlich schreiben und über die Schicksale Deiner kleinen Familie berichten will, und obgleich ich selbst im Institut heute gehörig viel zu schaffen habe, kann ich es doch nicht lassen, Dir morgen zum Sonntag einen lieben Herzensgruß zu senden. Wie froh war ich, als Dein letzter Brief mir am Donnerstag bessere Nachrichten von Euch brachte! . . . Die beiden Würmchen sind sehr frisch und mutner. Clärchen mit ihrer rührenden Herzensgüte versorgt uns in jeder Beziehung vortrefflich. Ich selbst benutze Deine Abwesenheit, um die Zahl meiner täglichen Arbeitsstunden auf 11 zu steigern. Um 7 Uhr morgens bin ich auf dem Institut und bleibe da bis nach 8 Uhr abends, wovon nur die beiden Mittagsstunden zur Erholung abgehen (von 1 bis 3 Uhr). Unter diesen Umständen machen die mühsamen Schwamm-Tafeln gute Fortschritte. Ich habe jetzt schon 30 fertig, also über die Hälfte. Einen Teil (die einfacheren) macht Giltsch in Lithographie. Vom Kupferstecher in Dresden habe ich noch keinen Druck bekommen. Im übrigen ist mein Leben sehr eintönig, und ich sehne mich täglich sehr, sehr nach meiner süßen kleinen Gefährtin! Nur gestern abend war einmal Abwechslung: das längst fällige Souper von 6 Studenten (Dieck, Krolik, Vetter, Koch, Kling und Fürbringer). Clärchen hatte einen fürtrefflichen Kalbsbraten und Flammeri gemacht! Heute soll ich bei Preyer (um 1 1/2 Uhr) frühstücken! - Gerhardt geht nach Würzburg. Ein großer Verlust für Jena! Im nächsten Brief Ausführliches. Viele Grüße und Küsse, mein kleines Herzchen, von Deinem treuen Ernst. Unternimm mir nicht zu gefährliche galante Abenteuer!





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999