"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

45. Brief

Jena, den 28. Dezember 1869.




Mein liebster, furchtbar lieber Ernst! Gestern abend bekam ich Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreut und höchlichst amüsiert hat. Ich bin sehr froh, daß Du gut angekommen bist und von Deiner Mutter natürlich aufs zärtlichste empfangen wurdest, und bin, denke Dir, durchaus nicht eifersüchtig auf Dein märkisches Bauernmädchen mit 300 Pfd. Gewicht, guten Appetit dazu! Dein Brief kam gerade, als Mutter und Clara bei mir waren und ich unser Walterinchen ins Bett bringen wollte. Ich war sehr froh, daß Du mir so bald geschrieben, mein lieber, süßer Mann, denn ich habe Dich gar zu lieb, so sehr lieb, und entbehre Dich entsetzlich. Unser lieber Junge ist sehr vergnügt und ausgelassen und wird immer selbständiger. Ich war gestern bei ziemlicher Kälte, aber heiterem Wetter mit ihm spazieren und er dabei so munter, daß er fortwährend jauchzte . . .

Bei Deiner Rückreise wird du vielleicht noch rechte Kälte haben, Du hast es kalt getroffen, und ich bin froh, daß ich mit meinem kleinen Putt daheim im warmen Stübchen bin. - Genieße nur Deine lieben Verwandten recht, mein gute Ernstelchen, das hasst Du nicht so oft, dies Vergnügen!

Im ganzen habe ich Dir gar nichts von Bedeutung zu schreiben, als daß ich Dich unendlich lieb habe, wenn Dich dies interessiert? Gestern abend habe ich Mutter und Clara vorgesungen und -gespielt, was uns allen Vergnügen machte.

Außerdem ist eine Verlobungsanzeige von S. W. und Dr. Bl. angelangt, und ich atme mit der armen Braut auf, daß endlich die Sache veröffentlicht ist. Ich taugte nicht für solch lange Verlobung, ich ginge zugrunde. Hast Du das Paketchen an meine Marie gebracht und bist Du auch hübsch freundlich gewesen? Grüße Deine lieben Alten herzlichst von der Schwiedertochter und erinnere Lottchen an die Schokolade. Erkälte Dich nicht in dem großen Quartier!

Nun ade, mein Herzensmann, und komme recht rasch wieder zu Deiner sehnsüchtigen kleinen Frau, wo Du was Warmes zu essen bekommen wirst . . .





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999