"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

191. Brief

Zürich, 30 August 1894.




Mein geliebtes Röschen! Nach Deinem lieben Brief scheint es, daß Du mit klein Emma schon heute oder morgen wieder in unserer lieben Medusen-Villa eintreffen wirst. Eigentlich tut mir das leid, da ich Dir gern eine längere Ausspannung - von 3 Wochen mindestens - in Brückenau gegönnt hätte. Der schöne Wald, die idyllische Ruhe und die bequemen Spaziergänge haben Dich hoffentlich bestimmt, noch einige Tage länger in Brückenau auszuhalten. Du wirst doch wahrscheinlich nicht zum zweiten Male dorthin kommen?

Mir ist es bis jetzt recht gut gegangen . . . Sonntag früh fuhr ich in 2 Stunden nach Zürich (von Basel), wo mich Arnold Lang und Frau liebenswürdig empfingen und pflegten. Sonntag abend herrliche Aussicht mit großem Gewitter "auf der Weid". Montag Besuche bei Bölsche und Keller. Spaziergang. Abends mit Prof. Forel und Oberst Bleuter bei Langs gut unterhalten. Dienstag und Mittwoch sehr gelungene Exkursion mit Langs nach dem Wallfahrtsort Einsiedeln (große Prozession). Nachmittags in 6 Stunden über Alptal auf dem "Großen Mythen" gestiegen (5700 Fuß hoch) - gegenüber dem Rigi. Anstrengend, furchtbar geschwitzt, aber gut bekommen. In der Klub-Hütte (ganz allein mit dem Wirt und der Tochter) übernachtet. Abendessen nur von Konserven. Am 29. auf den Mythen-Gipfel. Prachtvoller Sonnenaufgang mit interessanter Wolkenbildung (großer Genuß von 5-7 Uhr). Später Nebel und Regen. In 3 Stunden hinab nach Schwyz. Manöver der Schweizer Bundestruppen. Nun per Bahn nach Arth. Abend von 6-7 wunderschöne Fahrt mit Dampfschiff über den Zuger See, mit herrlicher Beleuchtung und Bergfärbung. Von Zug per Bahn in 1 1/2 Stunden nach Zürich . . . Samstag fahre ich über den Gotthard nach Locarno (Lago Maggiore). Am 2. September denke ich von Locarno nach Bignasco zu fahren, Val Maggia, Tessin (Schweiz). Schicke dorthin Brief . . . Ich denke bis 8. September dortzubleiben, zu wandern und zu malen, es soll sehr malerisch sein. Am 9. oder 10. trete ich dann die Rückreise an . . . und denke am 15. bei meinem liebsten Frauchen einzutreffen.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999