"Ernst und Agnes Haeckel - Ein Briefwechsel"

118. Brief

Jena, den 14. März 1877.




Mein liebster Herzensschatz! Du hast mich seit den letzten Tagen so nett mit Briefen bedacht, daß ein kleines Lob wirklich am Platze ist, fahre nur hübsch so fort, ich meinesteils entwickle einen rührenden Eifer im Briefeschreiben, heute schon der dritte, - īs ist wirklich erstaunlich, und allemal 4 volle Seiten! Hingegen ich von Dir Nur die kleinen lieben Zettelchen für mich rechne! Deine Mutter schickte mir gestern Reisebericht Nr. 2, und habe ich ihr bereits meine beiden Teile zugeschickt, sie scheint sehr trüber Stimmung zu sein, wahrscheinlich ist sie viel allein.

Ich sehe aus Deinen Briefen, daß Du meinen zweiten Brief noch nicht erhalten hast,in dem ich Dir den Brief eines Herrn Henckel beilegte. Bitte schreibe sogleich an den Betreffenden, daß er mich nicht etwa Ostern mit seinem liebenswürdigen Besuch überrascht. Gestern war ich bei Seebecks . . . Zwei Beilagen der Allgemeinen werden Dich interessieren. Der unausstehliche Gr. wird darin schrecklich herausgestrichen und mit Dir in der Art seiner satirischen Schreibweise verglichen. Das ist zuviel; nur mit dem Menschen eine Ähnlichkeit zu haben, wäre mir ein Ekel.

Aus Sizilien, las ich, sind Nachrichten über dort unerhörten Schneefall gekommen, so daß die Eisenbahn stockt. Also kann man sich denken, daß auch Du noch von frostigem Wetter zu leiden hast. Dein Leben dort muß so reizend nicht sein, solch Pensionat denke ich mir sehr lästig. Nun Du machst Dich rasch mit den Menschen bekannt, und durch Deinen Freund Lloyd Ferman bist Du ja auf sehr ehrenvolle Weise in Korfu gelandet, "das lasse ich mir gefallen", sagte Frau Seebeck, "der Haeckel hat aber darin auch besonderes Glück!" Herzliche Grüße habe ich Dir von Direktor Richter zu sagen, der mich vor eingen Tagen besuchte. Überhaupt habe ich öfters Herrenbesuch gehabt! - Meine Strohwitwenschaft wird natürlich sehr bedauert, die Leute wissen dafür freilich auch nicht, wie schön so ein Wiedersehen ist, nicht wahr, mein Herzensernst! Gefreut habe ich mich aber doch sehr über Deine Versicherung, daß wir Dir fehlen und Deine bequeme Häuslichkeit! . : . Lebe wohl, herzgeliebter Mann, und erfreue mich bald mit Nachricht! Deine sehnsüchtige kleine Frau.





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erstellt von Christoph Sommer am 6.10.1999