Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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10. Ergänzende Bemerkungen über die Sialsphäre. 205

ausgeübt hat, daß unter diesem Zuge die Sumatrakette am Nordende dieser Insel gerissen ist, und daß der nördliche Teil der Kette (Arakan) wie ein Tauende nach Norden in den großen Zusammenschub hineingezogen worden ist und noch wird. Zu beiden Seiten dieser grandiosen Blattverschiebung müssen sich dabei Gleitflächen ausgebildet haben. Interessanterweise blieb die äußerste Randkette, die Andamanen und Nikobaren, am Sima haften, und es war erst die zweite Kette, die diese merkwürdige Verschiebung erfuhr.

Endlich sei noch kurz des bekannten Unterschiedes zwischen „pazifischem" und „atlantischem" Küstentypus gedacht. Die „atlantischen" Küsten stellen Brüche eines Tafellandes dar, während die „pazifischen" durch Randketten und vorgelagerte Tiefseerinnen gekennzeichnet sind. Zu den Küsten mit atlantischem Bau zählt man auch diejenigen von Ostafrika mit Madagaskar, Vorderindien, West-und Südaustralien, sowie die Ostantarktis, zu den pazifischen auch die Westküste Hinterindiens und des Sunda-Archipels', die Ostküste Australiens mit Neuguinea und Neuseeland und die Westantarktis. Auch Westindien mit den Antillen hat pazifischen Bau. Den tektoni-schen Unterschieden dieser beiden Typen entspricht auch ein verschiedenes Verhalten der Schwerkraft, wie Meissner [190] gezeigt hat. Die atlantischen Küsten sind isostatisch kompensiert, d. h. die schwimmenden Kontinentalschollen sind hier im Gleichgewicht. Dagegen herrschen bei den pazifischen Küsten Abweichungen von der Isostasie. Bekannt ist ferner, daß atlantische Küsten relativ frei von Erdbeben und auch von Vulkanen sind, während pazifische an beiden reich sind. Wo einmal an einer Küste atlantischen Typs ein Vulkan auftritt, zeigen seine Laven, worauf Becke hingewiesen hat, systematische mineralogische Unterschiede gegenüber den pazifischen Laven, sie sind nämlich schwerer und eisenreicher, scheinen also aus größerer Tiefe zu stammen.

Nach unseren Vorstellungen sind die „atlantischen" Küsten stets solche, welche sich erst seit dem Mesozoikum, zum Teil noch erheblich später, durch Spaltung der Schollen gebildet haben. Der vor ihnen liegende Meeresboden stellt also eine relativ frisch entblößte Tiefenschicht dar und muß daher als relativ flüssig betrachtet werden. Es kann aus diesem Grunde nicht überraschen, daß diese Küsten isostatisch kompensiert sind. Bei Verschiebungen ferner erfahren die Kontinentalränder wegen dieser größeren Flüssigkeit des Simas nur wenig Widerstand und werden daher weder gefaltet noch gepreßt, so daß weder Randgebirge noch Vulkane entstehen. Auch Erdbeben


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003