Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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170 8. Grundsätzliches über Kontinentverschiebungen usw.

daß bei ihrer Entstehung diese periodische Schwankung der Ekliptikschiefe von ähnlichem maßgebenden Einfluß gewesen sein wird wie bei den entsprechenden Schwankungen im Quartär. Auch hat man bereits die Vermutung ausgesprochen, daß die anscheinend periodischen Schwankungen der Sedimentablagerung mit dieser Schwankung der Ekliptikschiefe zusammenhängen.

Auf die Frage aber, ob etwa auch der Mittelwert, um den die Ekliptikschiefe in dieser Weise periodisch hin und her pendelt, im Laufe der Erdgeschichte größere Änderungen durchgemacht hat, kann uns die astronomische Störungsrechnung in keiner Weise Auskunft geben, und zwar aus zwei Gründen. Denn einerseits gehen in die Störungsrechnung die Massen sämtlicher Planeten des Sonnensystems ein, die nur bis zu einer gewissen Genauigkeitsgrenze bekannt sind, wodurch die Ausdehnung der Rechnung auf geologische Zeiten (mit Ausnahme der jüngsten, des Quartärs) illusorisch wird. Und zweitens ist die Erde nicht starr, wie bei der Störungsrechnung vorausgesetzt, sondern führt fließende Bewegungen aus, unterliegt Kontinentverschiebungen, Krustenwanderungen und wahrscheinlich auch inneren Achsenverlagerungen, alles Eigenschaften, die von großem Einfluß auf das Resultat sein müssen, deren rechnerische Berücksichtigung aber einstweilen ausgeschlossen ist. Von dieser Seite her können wir also keine weitere Auskunft erlangen.

Ich möchte aber aufmerksam machen auf eine Eigentümlichkeit der geologischen Klimate, die in diesem Zusammenhang von großem Interesse ist. Nachdem im Permokarbon im damaligen, auf dem Gondwanaland liegenden Südpolargebiet eine der heutigen mindestens gleiche Entwicklung von Inlandeis geherrscht hatte, finden wir die ganzen folgenden Zeiten, Trias, Jura, Kreide, hindurch bis zum Frühtertiär nirgends auf der Erde sichere Spuren von Inlandeis, obwohl meist wenigstens einer der Pole auf Land oder doch in Landnähe lag, und es somit an Gelegenheit zur Inlandeisbildung kaum gefehlt hätte. Und gleichzeitig finden wir ein erstaunlich weites Vordringen der Pflanzen- und Tierwelt gegen die Pole. Erst im Laufe der Tertiärzeit bildeten sich am Nordpol neue Inlandeismassen, die dann im Quartär ihre größte Ausdehnung erreichten. Diese Schwankungen des Polarklimas würden sich sehr gut durch die Annahme erklären lassen, daß auch der Mittelwert, um den die 40000jährige Periode der Ekliptikschiefe hin und her geht, im Laufe der Erdgeschichte beträchtlichen Veränderungen unterworfen war, und zwar in der Weise, daß zu den Zeiten mit Inlandeis die Ekliptik-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003