Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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132 7. Paläoklimatische Argumente.

klima zeugen, teils eine Flora, die gleichfalls subtropischen Charakter hat.

Dieser enorme Klimawechsel in Europa vom tropischen zum Klima der gemäßigten Breiten, in Spitzbergen vom subtropischen zum Polarklima - - legt sofort den Gedanken einer Verschiebung der Pole und des Äquators und damit des ganzen zonalen Systems der Klimate nahe. Und diese Annahme findet eine unabweisbare Bestätigung darin, daß Südafrika - • 80° südlich von Europa, 110° südlich von Spitzbergen -- in demselben Zeitraum eine ebenso gewaltige, aber gerade umgekehrte Klimaänderung erlitt: Im Karbon unter Inlandeis begraben, also im Polarklima, heute in subtropischem Klima!

Diese völlig sichergestellten Tatsachen lassen keine andere Erklärung zu als die durch Polwanderungen1). Wir können hierauf auch noch eine Probe machen. Wenn der Meridian Spitzbergen—Südafrika die größte Klimaänderung durchgemacht hat, so muß die gleichzeitige Klimaänderung in den zwei Meridianen, die 90° östlich und westlich davon liegen, Null oder jedenfalls sehr unbedeutend gewesen sein. Und dies ist in der Tat der Fall; denn der Sunda-archipel, 90° östlich von Afrika, hatte mit Bestimmtheit schon im Frühtertiär das gleiche tropische Klima wie heute, wie sich schon in der unveränderten Erhaltung zahlreicher altertümlicher Pflanzen und Tiere, wie z. B. der Sagopalme oder des Tapirs, zeigt, und neuerdings hat man dort auch Karbonpflanzen von der gleichen Art gefunden, wie sie aus Europa bekannt sind und von den besten Kennern für tropisch gehalten werden. Und in ähnlicher Lage war auch der nördliche Teil von Südamerika, wo unter anderem gleichfalls der Tapir erhalten blieb, während er in Nordamerika, Europa und Asien nur fossil, in Afrika gar nicht zu finden ist. Allerdings erweist sich für das nördliche Südamerika die Klimakonstanz als nicht so vollkommen wie für die Sundainseln; dies ist, wie wir sehen werden, eine Folge der Verschiebung der Kontinente; Südamerika lag eben früher nicht 90° westlich vom Meridian Spitzbergen—Südafrika, sondern diesem viel näher.

Es ist nach dem Gesagten nicht zu verwundern, daß man bei den Versuchen, das System der vorzeitlichen Klimaänderungen zu ergründen, schon frühzeitig und immer wieder auf Polwanderungen zurückgegriffen hat. Bereits Herder hat in seinen Ideen zur Philo-

Über den Begriff der Polwanderungen siehe Kap. 8.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003