Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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112 6. Paläontologische und biologische Argumente.

Das zweite Faunenelement Australiens ist sehr bekannt, denn es gehören hierher die eigenartigen Säugetiere — Beutler und Kloakentiere —, die sich von der Fauna der Sundainseln so scharf unterscheiden (Wallace-Grenze der Säugetiere). Dies Faunenelement zeigt Verwandtschaftsbeziehungen nach Südamerika. Beuteltiere leben jetzt z. B. außer in Australien sowie auf den Molukken und verschiedenen Südseeinseln hauptsächlich in Südamerika (Opossum oder Beutelratte in einer Art auch noch in Nordamerika verbreitet); fossil sind sie auch noch aus Nordamerika und Europa, aber nicht aus Asien bekannt. Sogar die Parasiten der australischen und südamerikanischen Beutler sind die gleichen: E. Bresslau [140] hebt hervor, daß von den Plattwürmern sich die Geoplaniden mit % ihrer rund 175 Arten in diesen beiden Gebieten finden. „Die geographische Verbreitung der Trematoden und Cestoden, die natürlich der ihrer Wirte entspricht, ist bis jetzt nur selten Gegenstand besonderer Untersuchungen gewesen. Daß auch hier Tatsachen von hohem zoogeographischen Interesse zu ermitteln sind, lehrt die Cestoden-gattung Linstowia, die sich ausschließlich in den südamerikanischen Didelphyiden (Beutelratten) und in australischen Beutlern (Perameles) und Monotremen (Echidna) findet." Von dieser Verwandtschaft mit Südamerika sagt Wallace [139]: „Es ist wichtig, hier zu bemerken, daß die hitzeliebenden Reptilien kaum einen Beweis einer nahen Verwandtschaft zwischen den beiden Regionen liefern, während es die kälteaushaltenden Amphibien und Süßwasserfische im Überfluß tun." Die gleiche Eigentümlichkeit zeigt die ganze übrige Fauna, so daß Wallace von der Landverbindung Australien—Südamerika meint, „daß dieselbe, wenn sie überhaupt vorhanden war, nach ihren kalten südlichen Grenzen zu lag". Auch die Regenwürmer haben diese Brücke nicht benutzt. Da man hierdurch, geradezu auf Antarktika als Verbindung hingewiesen wird, was ja auch auf dem kürzesten Verbindungsweg liegt, so ist nicht zu verwundern, daß die von vereinzelten Autoren statt dessen vorgeschlagene „südpazifische" Brücke, die nur auf der Merkatorkarte die kürzeste Verbindung vortäuscht, fast überall abgelehnt wird. Dies zweite australische Faunenelement entstammt also der Zeit, als Australien noch über Antarktika mit Südamerika zusammenhing, also zwischen älterem Jura (dem Abriß von Vorderindien) und dem Eozän (dem Abriß Australiens von Antarktika). Für diese Formen bietet die heutige Lage Australiens keine Isolierung mehr, sie dringen langsam im Sundaarchipel weiter vor, so daß Wallace die Säugetiergrenze


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003