Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

6. Paläontologische und biologische Argumente. 111

Ausdehnung isostatisch nicht möglich ist, nehmen wir den Zusammen-schub dieser Brücke zur Bildung von Hochasien an. Der tiergeographische Unterschied besteht darin, daß dann Dekan vor der Trennung unmittelbar neben Madagaskar gelegen hat. Gerade darin zeigt sich der Vorzug der Verschiebungstheorie, da die beiden Teile in ihrer heutigen Lage einen bedeutenden Breitenunterschied besitzen und nur deshalb ähnliches Klima haben und ähnliche Formen beherbergen können, weil der Äquator zwischen ihnen liegt. Für die Zeiten der Glossopterisflora würde uns dieser große Abstand ein klimatisches Rätsel aufgeben, welches durch die Verschiebungstheorie beseitigt wird. Auf die Gruppe der paläoklimatischen Argumente werden wir indessen erst im nächsten Kapitel näher eingehen.

Sahni [138] hat den (unnötigen) Versuch gemacht, an Hand der Verbreitung der kühlen Glossopterisflora im Bereich des alten Gondwanalandes den Vorzug der Verschiebungstheorie vor der der versunkenen Zwischenkontinente zu untersuchen, muß aber die Frage unentschieden lassen, da das Beobachtungsmaterial noch zu lückenhaft sei. Daß der Landzusammenhang zwischen Südafrika, Madagaskar, Vorderindien und Australien tatsächlich bestanden hat, wird hier -- wie in allen mir bekannten Veröffentlichungen -- als längst gesichertes Ergebnis der Forschung behandelt. Bei den riesigen heutigen Entfernungen dieser Erdteile untereinander ist es aber meines Erachtens ohne weiteres einleuchtend, und wird auch von zahlreichen Forschern hervorgehoben, daß die durch die Verschiebungstheorie gebotene Lösung die Beobachtungen noch besser erklärt als die geophysikalisch unhaltbare Theorie der versunkenen Zwischenkontinente.

Von einem ganz besonderen Interesse ist in unserem Zusammenhang die Tierwelt Australiens. Schon Wallace [139] erkannte eine deutliche Gliederung in drei verschieden altertümliche Elemente, und an diesem Ergebnis hat sich auch durch die neueren Untersuchungen z. B. von Hedley nichts Wesentliches geändert; das älteste Element, welches hauptsächlich im Südwesten Australiens anzutreffen ist, zeigt Verwandtschaft namentlich mit Vorderindien und Ceylon, weiter auch mit Madagaskar und Südafrika. Hier sind auch wärmeliebende Tiere in der Verwandtschaft vertreten, und auch die Regenwürmer, die gefrorenen Boden scheuen. Diese Verwandtschaft entstammt der Zeit, als Australien noch mit Vorderindien zusammenhing. Nach unserer Abb. l wurde diese Verbindung bereits in der älteren Jurazeit aufgehoben.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003