Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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106 6. Paläontologische und biologische Argumente.

erstrecken, eine ganz einheitliche Fauna vorfinden. Am besten läßt sich das für Eurasien demonstrieren, von dessen einheitlicher Tierregion Ostasien meist als besondere Provinz abgetrennt wird."

„Anders liegen die Dinge nach Wegeners Theorie. Nach dieser wird durch den erfolgten Abriß ein völlig einheitliches Faunengebiet zerrissen, wenn derselbe nicht zufällig auf eine schon bestehende Faunengrenze trifft ..."

„Besonders deutlich müßten sich die Folgen der Zerreißung eines einheitlichen Faunengebiets in Nordamerika bzw. Europa zeigen. Denn der Abriß erfolgte relativ spät, die paläontologischen Urkunden sind entsprechend zahlreich. Außerdem sind gerade diese Gebiete besonders gut durchforscht. Auch die lebenden Formen können sich infolge der kurzen Zeit der Isolierung noch nicht sehr divergent entwickelt haben."

„Tatsächlich finden wir denn auch eine Übereinstimmung, wie wir sie nicht besser wünschen können. So finden wir im Eozän fast alle Unterordnungen der Säugetiere Nordamerikas auch in Europa vor. Ähnlich steht es mit anderen Klassen ..."

„Natürlich läßt sich die nahe Verwandtschaft der beiderseitigen Faunen auch mit der nordatlantischen Brücke erklären ... Aber nach dem oben Gesagten verdient Wegeners Erklärung hier den Vorzug ..."

„Fasse ich also unsere Resultate zusammen, so darf man wohl sagen, daß die tiergeographischen Tatsachen - - von Einzelheiten abgesehen -- recht gut zu Wegeners Anschauungen passen. In vielen Fällen ist die Verschiebungstheorie sogar geeignet, uns einfachere Lösungen der Verhältnisse zu geben als jede andere frühere Theorie!)".

Auch Huus betrachtet es in einer Arbeit über die Ascidien [130] als einen besonderen Vorzug der Verschiebungstheorie, daß sie außer der Landverbindung auch noch eine Annäherung der Fundstellen bietet: „Besonders einfach wird die Deutung der trans-

1) Ökland zieht aus dem gleichen Material den Schluß, daß die Theorie des versunkenen Zwischenkontinents — dessen geophysikalische Unhaltbarkeit er nicht beachtet - - vorzuziehen sei, und zwar, weil nach der Verschiebungstheorie noch mehr Identitäten zu erwarten seien als vorhanden sind. Er stellt offenbar die Forderungen in diesem Punkt zu hoch; denn erstens ist auch nach der Verschiebungstheorie keineswegs eine völlige Identität der ehemaligen Faunen und Floren zu erwarten, und zweitens wird die Zahl der Identitäten absolut wie prozentisch stark herabgesetzt durch die Unvollständigkeit der fossilen Funde.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003