Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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90 5. Geologische Argumente.

Soweit Argand, der, wie man sieht, in dieser Arbeit über die Tektonik Asiens auch die Hauptzüge des ganzen Erdantlitzes in Betracht zieht.

Eine genaue geologische Vergleichung würde sich auch für die Ostküste Vorderindiens und die Westküste Australiens verlohnen, denn diese Küsten oder besser Schelfränder haben nach unserer Annahme bis etwa zur Jurazeit unmittelbar zusammengehangen. Aber bisher ist ein solcher Vergleich von geologischer Seite anscheinend noch nicht durchgeführt worden. Die Ostküste Vorderindiens stellt einen jähen Abbruch des Gneisplateaus dar. Eine Unterbrechung erfährt dies nur durch das grabenartig schmale Kohlengebiet des Godavari, welches aus den unteren Gondwana-schichten besteht. Die oberen Gondwanaschichten liegen, der Küste folgend, diskordant quer über seinem Ende. Auch Westaustralien bildet eine ähnliche Gneistafel mit welliger Oberfläche wie Vorderindien und Afrika. Sie fällt längs der Küste mit einem langen Steilrande, der „Darling Range" und ihrer nördlichen Fortsetzung zum Meere ab. Vor dem Steilrand liegt ein abgesunkener Streifen flachen Landes, der aus paläozoischen und mesozoischen Schichten aufgebaut und an wenigen Stellen von Basalten durchbrochen ist, und vor diesem wieder ein schmaler, bisweilen ganz verschwindender Gneiszug an der Küste. Die genannten Sedimente enthalten am Irvinflusse auch ein Kohlengebiet. Die Streichrichtung der Gneisfaltung ist in Australien überall meridional gerichtet und würde also bei Angliederung an Vorderindien in Nordost-Südwest verwandelt und somit parallel zur dortigen Hauptrichtung werden.

Im Osten Australiens verlaufen die wesentlich im Karbon gefalteten australischen Kordilleren längs der Küste von Süden nach Norden, um hier in einem staffeiförmig nach Westen zurückweichenden Faltensystem, dessen einzelne Falten immer genau nordsüdlich verlaufen, zu endigen. Ebenso wie bei den staffeiförmigen Falten zwischen Hindukusch und Baikalsee zeigt dies die seitliche Grenze des Zusammenschubs an; die riesenhafte Andenfaltung, welche in Alaska beginnend durch vier Erdteile hindurchstreicht, erreicht hier ihr Ende. Die westlichsten Ketten der australischen Kordilleren sind die ältesten, die östlichsten die jüngsten. Tasmanien bildet eine Fortsetzung dieses Faltensystems. Interessant ist im Bau des Gebirges die spiegelbildliche Ähnlichkeit mit den südamerikanischen Anden, wo wegen der Lage jenseits des Poles die östlichsten Ketten die ältesten sind. Indessen fehlen in Australien die jüngsten Ketten.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003