Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (1929)

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4. Oeophysikalische Argumente. 43

Diskussion der Schweremessungen auf den Ozeanen, die nichts von dem großen sichtbaren Massendefizit der Tiefseebecken erkennen lassen, zu dem Ergebnis, daß der Boden der Tiefsee aus dichterem, schwererem Material besteht als die Kontinentalschollen. Daß diese größere Dichte nicht nur auf den Unterschieden der physikalischen Zustände, sondern auch auf solchen des Stoffes besteht, läßt sich auf diesem Wege allerdings nicht exakt beweisen, wohl aber durch Überschlagsrechnungen unter plausiblen Annahmen sehr wahrscheinlich machen.

Die Isostasielehre liefert aber auch ein direktes Kriterium für die Frage nach der horizontalen Verschiebbarkeit der Kontinente. Es war schon oben auf die isostatischen Ausgleichsbewegungen hingewiesen worden, deren schönstes Beispiel die noch jetzt andauernde Hebung Skandinaviens um etwa l m im Jahrhundert ist, die als Nachwirkung der Entlastung durch das vor mehr als 10000 Jahren erfolgte Abschmelzen der Inlandeiskappe betrachtet werden kann, zumal die größte heutige Hebung dort zu beobachten ist, wo das Eis zuletzt verschwunden ist. Dies geht sehr schön aus der von Witting entworfenen Karte Abb. 11 hervor (nach Born [43]). Born [43] hat gezeigt, daß dies Hebungsgebiet eine Schwereanomalie im Sinne zu kleiner Schwerkraft hat, soweit es sich nach den bisher noch dürftigen Beobachtungen beurteilen läßt (vgl. Abb. 12), und so muß es in der Tat sein, wenn die Kruste noch unterhalb ihrer Gleichgewichtslage ist. Eine besonders eingehende Beschreibung aller auf diese Hebung Skandinaviens bezüglichen Erscheinungen hat Nansen [222] gegeben; die größte Depression betrug 284m nach den Strandmarken an der Küste von Ängermanland und wahrscheinlich 300 m im Innern. Diese Hebung begann langsam vor etwa 15000 Jahren, erreichte vor 7000 Jahren ihre größte Geschwindigkeit von etwa l m in 10 Jahren und ist heute im Abklingen. Die zentrale Eisdicke wird auf etwa 2300 m geschätzt. Diese Vertikalbewegungen großer Krustenteile setzen natürlich Fließbewegungen in der Unterlage voraus, durch welche das verdrängte Material nach außen geschafft wird. Dies wird auch bestätigt durch die ungefähr gleichzeitig von Born, Nansen, A. Penck und Koppen (Literatur in [43]) gemachte Entdeckung, daß das Depressionsgebiet der Inlandeiskappe ringförmig von einem Gebiet schwacher Hebung umgeben ist, die eben auf das nach außen gepreßte Material des Untergrundes zurückzuführen ist. Jedenfalls beruht die ganze Isostasielehre auf der Vorstellung, daß die Unterlage der Kruste einen gewissen Grad


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen, Bearbeitung und OCR durch Kurt Stüber, Oktober 2003.
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© Kurt Stueber, 2003